Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
und einige Käsesorten dabei, eine
Flasche Orangensaft, Tomaten, hartgekochte Eier und Salz und sogar zwei Muffins
zum Nachtisch. Emily fiel ihm vor Begeisterung um den Hals und war ganz gerührt.
Tatsächlich hatte sie ihn nicht so eingeschätzt, dass ihm das leibliche Wohl
wichtig sein könnte, vielleicht weil er so dünn war. Er breitete alles auf dem
kleinen Tisch auf einem karierten Küchenhandtuch aus, sie setzten sich auf die
Holzbank und fingen genüsslich an zu tafeln.
„Das ist so gut.“ Emily konnte sich gar nicht mehr
einkriegen. „Weißt du, wenn man so richtig Hunger hat, schmeckt es am besten.“
David sagte nur: „Ich weiß“, und schnitt sich mit seinem
Taschenmesser ein großes Stück von dem leckeren Chaumes ab.
Wunderbar gesättigt machten sie sich wieder auf den Weg und
kamen bald an das Heidenloch, eine uralte Zisterne. David erzählte ihr von der
Legende, dass vom Grund der Zisterne ein Gang unter dem Neckar durchgeführt
habe, denn einst wäre eine Gans, die man hier hineingesteckt hätte, auf der
anderen Neckarseite wieder aufgetaucht. Auch warfen sie einen Blick auf das
alte Stephanskloster und bestiegen den Aussichtsturm, von dem aus man einen
weiten Blick ins Neckartal und auf die Stadt hatte und den Emily von ihrem
Zimmer aus sehen konnte. David stand ganz dicht neben ihr und sie merkte, wie
sich ihre Härchen am Unterarm aufstellten, als wären sie von seinem Arm
magnetisch angezogen. Sie rückte unbewusst ein Stück ab und dachte darüber nach,
dass sie ganz schön ausgehungert war und dringend einen Mann brauchte. Diese
Gedanken führten sie wieder zu der Postkarte und ihrem morgigen Treffen und sie
merkte gar nicht, dass David ihr eine Frage gestellt hatte.
Er sah sie aufmerksam an. „Wo bist du, Emily?“
Sie schüttelte sich ein wenig und lächelte „Entschuldige,
ich musste gerade an was denken.“
Während sie an der Waldgaststätte vorbei den kleinen Weg zur
Thingstätte beschritten, drang er nicht weiter in sie. Sie merkte aber, dass er
sie von der Seite anschaute, als wolle er sich vergewissern, dass sie wieder
ganz hier bei ihm wäre.
Fassungslos blieb sie stehen, als sich das Panorama des
steinernen Amphitheaters vor ihnen öffnete. „Wow, was ist denn das?“ Damit
hatte sie mitten im Wald gar nicht gerechnet. David erklärte ihr in seiner
unnachahmlichen Art, wie hier im Dritten Reich eine Feierstätte errichtet
worden war, die achttausend Menschen fassen konnte. Sie ließ sich treiben von
seiner Stimme und sah gewaltige Fackelaufmärsche, geschlossene Reihen von
Menschen, die in den Rängen standen und die Hand zum Hitlergruß ausstreckten,
und plötzlich wurde ihr kalt, weil sich ein Schatten über die Sonne zu legen
schien.
„Das könnte ein schöner Ort sein, so friedlich, wie er jetzt
daliegt, aber wenn man weiß, wozu er gebaut wurde, fühlt es sich hier nicht
mehr so gut an“, sagte sie leise.
„Vielleicht ist das der
Grund, warum die Stadt Heidelberg die Thing-stätte nie besonders als
Veranstaltungsort gefördert hat“, entgegnete David. „Aber in der Walpurgisnacht
geht es hier rund. Da wälzen sich Scharen von Menschen den Berg hinauf.
Handschuhsheim ist im Ausnahmezustand und dann trifft sich hier ein lustiges
Völkchen von Feuerspuckern, Geschichtenerzählern und Biertrinkern. Komm, wir
steigen noch ganz hinauf auf den Hauptgipfel, der ist immerhin
vierhundervierzig Meter hoch, für eine Hamburgerin müsste das doch schon als
richtiger Berg durchgehen.“
Sie nickte und gemeinsam machten sie sich an den Aufstieg.
In der Verlängerung der großen Stufen befand sich eine leicht zugewachsene
Treppe, die sie zum Michaelskloster hinaufführte.
„Ein idealer Ort für Kinder“, sagte Emily, „hier kann man
doch optimal Verstecken spielen und von Mauer zu Mauer hüpfen.“
„Magst du Kinder“, fragte David.
„Ich denke schon. Ich mag, dass sie so ehrlich sind und sich
immer wieder für etwas begeistern können.“
David nickte nachdenklich. „Angeblich sind hier zwölf
silberne Apostelfiguren begraben“, erzählte er weiter, „doch alle Schatzgräber
waren bisher erfolglos.“
„Na dann, hast du ’ne Schaufel dabei?“, fragte Emily munter.
„Ich könnte eine kleine Finanzspritze gebrauchen.“ Und während sie an die
unsichere Zukunft ihrer Wohnung dachte, fiel ihr ein, dass sie gar nicht
wusste, wo David wohnte. „Wo wohnst du eigentlich“, fragte sie leichthin.
Davids Gesichtsausdruck wurde verschlossen.
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