Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
natürlich
zurückhauen würde, schließlich musste sie sich das von einem kleinen Steppke ja
nicht bieten lassen, wenn sie sich nichts hatte zuschulden kommen lassen. Dann
antwortete sie jedoch: „Ich denke, ich würde die Hand festhalten, ihm oder ihr
tief in die Augen schauen und sagen, dass das so nicht geht und dass ich mir
das nicht bieten lasse.“
Er nickte zustimmend. Doch gleich kam die nächste Frage
hinterher: „Und wenn ein Kind nicht mehr mit dir reden würde, weil es
eingeschnappt oder verletzt ist, was würdest du dann tun?“
Aha, jetzt hatte sie kapiert, die erste Frage hatte sich
wohl auf Flo bezogen, die zweite auf Lizzy. Sie zuckte die Schultern. „Ich
denke, ich würde vermutlich ganz normal weitermachen, mit dem, was ich gerade
angefangen habe, und es nach einer Weile nochmal freundlich versuchen.“
„Und wenn das immer noch nicht hilft?“
Sie überlegte. „Vielleicht kann man ja bei Gelegenheit mit
dem Kind so ein paar Zeichen ausmachen, mit denen man sich dann zumindest über
das Nötigste in solchen Trotzzeiten verständigen kann.“
Interessiert sah er sie an. „Hast du das irgendwo gelesen?“
„Nein, habe ich mir gerade ausgedacht“, sagte sie.
Er nickte anerkennend. „Liest du manchmal Bücher über
Erziehungsfragen?“
„Nein, warum sollte ich?“, antwortete sie ohne viel
Nachdenken aus dem Bauch heraus.
„Klar, warum solltest du“, sagte er nachdenklich.
„Aber du kannst mir gerne eins ausleihen, was du gut
findest“, sagte sie schnell.
„Ja, weißt du, ich befasse mich gerade mit
Montessori-Pädagogik.“
Sie nickte verstehend. Montewas?
„Es ist eine große Verantwortung, Kinder zu erziehen“, sagte
er ein wenig oberlehrerhaft.
„Na ja“, sagte Emily, „ich würde mich freuen, sie erst
einmal kennenzulernen, vielleicht muss ich sie ja nicht gleich erziehen.“
„Ja, natürlich“, erwiderte er, wurde nun seinerseits rot und
sah dadurch noch indianischer aus als gewöhnlich.
Emily setzte sich wieder ein wenig bequemer hin. Sie fand,
sie hatte sich super geschlagen bei diesem sonderbaren Bewerbungsgespräch. Aber
manchmal war er schon komisch. Vielleicht wurde man so, wenn man Kinder hatte,
irgendwie so besitzergreifend?
„Möchtest du noch ein wenig spazieren gehen“, fragte er sie
und schaute sie liebevoll an.
„Klar, gerne. Die Neckarwiese liegt uns ja sozusagen zu
Füßen.“ Er zückte seinen Geldbeutel, Emily wollte ebenfalls ihren aus ihrer
Handtasche ziehen. Da legte er wieder seine große Hand auf ihre kleine. „Nein,
lass nur. Das ist mein Part.“ Sie war aufrichtig erleichtert, denn die Rechnung
hatte sich ganz schön geläppert an diesem Abend. „Herzlichen Dank“, sagte sie
und hauchte ihm ein kleines Luftküsschen zu, das er mit einem Lächeln
quittierte. Sie verließen das Restaurant und gingen die Treppe hinunter
Richtung Neckarwiese. Hier tobte noch der Heidel-Bär. Die Grills rauchten von
den öffentlichen Grillplätzen. Hunde und Kinder sprangen unbekümmert über die
lagernden Heerscharen.
Josue schüttelte missbilligend den Kopf. „Die armen Kinder,
sie gehören doch schon längst ins Bett. Kinder brauchen ihren Schlaf.“
Emily verkniff sich zu sagen: „Kinder brauchen auch ihren
Spaß.“ Sie suchten sich ihren Weg durch die Gruppen von Menschen. Er fasst nach
ihrer Hand, die sie bereitwillig ergriff, um ihn nicht zu verlieren in der
Menge, aber natürlich auch, weil es sich so gut anfühlte, so warm und fest. Ein
bisschen streichelte er wie abwesend mit dem Daumen über ihre Handoberfläche,
die viel rauer war als seine. Emily fragte sich, sind wir jetzt ein Paar? Ist
das der Anfang einer wahren Liebe? Sie schaute ihn von der Seite an und er
lächelte auf sie hinab.
„Es ist schön hier“, sagte sie, weil eine kleine
Befangenheit ihre Brust beschlich. Dann schaute sie sich um, ob auch jeder sah,
wie sie hier mit diesem gutaussehenden Mann entlangspazierte. Prompt erblickte
sie Bohni, der mit einigen Kumpels nach der Anzahl der verstreuten Bierflaschen
schon eine Weile auf der Wiese zu campieren schien. Er winkte ihr zu. Sie
winkte mit ihrer freien Hand glücklich zurück.
„Kennst du ihn?“, fragte Josue befremdet.
„Klar, das ist ein netter Arbeitskollege aus dem Altenheim“,
sagte Emily.
Langsam wurde es ruhiger, sie ließen den großen Wasserspielplatz
hinter sich und Josue zog sie nach vorne in Richtung Neckar. Sie blieben stehen
und gemeinsam schauten sie auf die samtig schimmernden Fluten. In
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