Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
schon. Was hältst du von Griechenland?“, fragte sie mutig.
„Ich war noch nie dort, aber es soll schön sein mit der
ganzen alten Kultur. Bedauerlich nur, dass es den Griechen jetzt so schlecht
geht“, sagte er.
„Na ja, alleine macht Urlaub auch nicht so viel Spaß“, wurde
sie noch forscher. Jetzt hatte er verstanden.
Er stupste sie mit dem Ellbogen in die Seite. „Sachte,
sachte, kleine Emily, keine Sorge, deine Zeit wird kommen.“ Was er jetzt wohl
damit meinte? Sie zuckte die Achseln. Und während sie langsam die Weinflasche
leerten und das Gespräch so hin und her wogte, sah sie ihn immer wieder an.
Manchmal hielt er ihren Blick mit seinen dunklen Augen kurz fest und sie fühlte
sich wie im siebten Himmel. Später, als die Kerze heruntergebrannt und die
sauber leergeputzten Platten bereits in die Küche zurückgetragen waren, spielte
er wieder mit ihren Händen und sagte: „Emily, ich mag dich. Du hast es
geschafft, dir einen Platz bei mir zu erobern. Ich muss immer wieder an dich
denken, wenn ich zuhause bin bei meinen Kindern. Lizzy hat mich schon gefragt,
was mit mir los ist, weißt du, sie ist sehr sensibel.“
Emily freute sich so, dass sie rot wurde. „Und, was hast du
zu ihr gesagt?“
„Die Wahrheit. Dass ich da eine Frau kennengelernt habe. Und
beide haben mich gleich mit Fragen bestürmt und waren so neugierig auf dich,
aber ganz positiv“, fügte er noch hastig hinzu.
Emily glaubte zu träumen. Sollte sie die Kinderhürde so
schnell genommen haben?
Josue richtete seinen
Oberkörper in dem Thron auf. „Ich wollte mich gerne noch mit dir über
Kinder unterhalten.“
Ups, was kam jetzt? Sie setzte sich ebenfalls aufrechter
hin.
„Hm, welche Erfahrungen hast du denn so im Umgang mit
Kindern?“
Was wurde das jetzt, ein Verhör? Sie begann von den
Wochenenden mit Klaus’ Nichten zu erzählen, was sie mit ihnen unternommen
hatten. Dann erinnerte sie sich an eine Szene aus ihrem Alltag als Optikerin.
Emily hatte gerade das Optikergeschäft betreten, um einen
neuen Arbeitstag in der kleinen Ladenpassage in Hamburgs Innenstadt zu
beginnen, als ihre Kollegin Claudia augenrollend auf sie zukam und zischte:
„Gut, dass du kommst, bitte übernimm doch mal den jungen Mann hier.“
Emily sah sich suchend um. Vermutlich meinte ihre Kollegin
den Rotz und Wasser heulenden Jungen, dessen Eltern schon sichtlich genervt
waren.
Sie warf ihren Mantel in den kleinen Aufenthaltsraum, setzte
ihre Fensterglasbrille auf, schnappte sich den Stoffbären, dessen Gesicht
brillentauglich war, und warf sich in die Schlacht.
„Moin die Herrschaften, was kann ich für Sie tun?“ Hätte ihr
Chef das gehört, hätte sie schon wieder einen Rüffel weggehabt.
„Er braucht eine Brille“, sagte die Mutter. „Aber er lässt
sich einfach keine aufsetzen.“
„Also gut, dann lassen Sie uns mal sehen. Vielleicht nehmen
Sie hinten bei meiner Kollegin einen Espresso, während ich mich mit Ihrem Sohn
unterhalte.“ Dankbar zogen die Eltern ab. Die Mutter warf noch einen
zweifelnden Blick über die Schulter. Emily nickte ihr aufmunternd zu.
Emily ging in die Hocke, setzte den Bär auf ihr linkes Bein
und schaute den Jungen an, der neugierig aufgehört hatte zu heulen. „Das ist
Fred und wer bist du?“
„Kevin.“ Oh, die Kevins waren ihr die liebsten.
„Könntest du mal die Brille mit den Fußbällen dort holen und
sie Fred aufsetzen?“ Brav stapfte Kevin los. Emily wunderte sich immer wieder,
wie leicht man die Kleinen kriegen konnte, man brauchte doch nur ein bisschen
Geduld und Spucke und natürlich Fred, aber Fred gab es nicht mehr. Und wie
leicht sie mit Kindern, die nicht nur Kindern von Fremden waren, wirklich
umgehen konnte, das wusste sie ehrlich gesagt nicht, aber sie versuchte, ihre
Bereitschaft zu signalisieren.
Wohl fühlte sie sich aber nicht bei diesem Rapport. Es
konnte doch auch nicht sein, dass Josue seine Goldschätzchen so sehr beschützen
musste vor der Begegnung mit der bösen Tante Emily.
Doch da nahm er wieder ihre Hand und sagte: „Emily, ich freu
mich, dass du Kinder magst, ich wollte nur nochmal sicher sein.“ Dann blickte
er vor sich hin. „Und was würdest du machen, wenn ein Kind dich hauen würde?“
Hilfe, warum sollte mich ein Kind hauen? Sie schaute ihn
fragend an.
„Nun, es kommt vor, dass Kinder zornig werden und
Trotzphasen haben, und da hauen und treten sie dann schon manchmal nach einem.“
Emilys erster Impuls war zu antworten, dass sie
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