Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
der Ferne
glühte das beleuchtete Schloss in warmen Tönen, nur rechts war es ganz modern
blau beleuchtet und Emily ließ sich auf den Wogen ihrer Glücksgefühle
dahintreiben. Dann drehte er sich ein wenig zu ihr um und nahm ihr Gesicht in
seine rechte Hand, sie schmiegte ihre Wange hinein und es passte wunderbar. Er
schaute ihr tief in die Augen und sie hatte das Gefühl, er konnte auf den Grund
ihrer Seele blicken, während sie bei ihm nur nächtliche Schwärze sah. Dann
beugte er sich behutsam hinunter und umfing ihre Lippen mit seinen vollen
Lippen. Für Emily blieb die Zeit stehen. Sie hatte sich so nach diesem
Augenblick gesehnt und jetzt war er da. Sie öffnete ihre Lippen ein wenig, um
ihn willkommen zu heißen. Seine Lippen fühlten sich warm an, nicht zu feucht
und nicht zu trocken, und leidenschaftlich wandte sie sich ihm zu, schlang die
Arme um seinen Hals und küsste ihn mit aller angestauten Sehnsucht der letzten
Wochen und Monate, die ihn sichtlich auch mit wegriss, so dass er immer
fordernder küsste. Als sie sich wieder voneinander lösten, schaute Josue sie
überrascht an.
„Du bist ja eine ganz Wilde, das hätte ich nicht erwartet“,
lachte er und sah ganz entspannt aus.
Emily lächelte nur geheimnisvoll, um sich ihm bald wieder
zuzuwenden. Ein bisschen schwierig war die Situation, weil sie sich so strecken
musste. Sie bekam einen Krampf in den Waden, aber das war ja nebensächlich.
Anna, dachte sie mitten im nächsten Kuss, entschuldige die Woche Verspätung,
aber ich habe es geschafft!
Hand in Hand schlenderten sie unter den Platanen etwas
entfernt von der Volksmenge zurück. Bei ihrem Fahrrad angekommen, konnte sich
Emily kaum trennen. Nach so langer Enthaltsamkeit war sie lichterloh entbrannt
und wusste gar nicht wohin mit ihrer sprühenden Sinnlichkeit.
Josue schaute sie lange an. „Emily, das war der schönste
Abend seit langem für mich, herzlichen Dank.“ Er zögerte, doch dann schien er
sich einen Ruck zu geben. „Hast du zufällig morgen Nachmittag Zeit, mit mir und
den Kindern in den Schwetzinger Schlosspark zu gehen?“
Sie nickte und brachte kein Wort hervor, so aufgeregt war
sie schon jetzt. Lieber Gott, lass mich seine Kinder mögen, betete sie im
Stillen.
„Wir holen dich am Bismarckplatz vor dem Kaufhof ab, sagen
wir um drei Uhr?“ Emily überlegte kurz, sie würde ihre Schicht tauschen müssen,
aber mit ein bisschen Glück bekam sie das hin. Bohni musste einfach Verständnis
haben.
„Gerne“, sagte sie nur und ihre Lippen fanden sich für einen
letzten langen Kuss.
Er wandte sich zum Gehen. Emily ergriff ihr Fahrrad und
stieg auf. Ach Mist, den Platten hatte sie ja ganz vergessen. Sie drehte sich
nochmal um, in der Hoffnung, dass er sich auch nach ihr umschaute. Aber er war
schon ein ganzes Stück Richtung Neuenheim gelaufen, doch an der Art seines
beschwingten Ganges, sah sie, dass es ihm gut ging. Sie schob ihr altes Fahrrad
über die Brücke und nickte dem Schloss in der Ferne fröhlich zu. Jetzt würde
alles gut werden. Jetzt konnte ihr nichts mehr passieren.
Emily stand vor dem Kaufhof auf dem Bismarckplatz und war so
aufgeregt wie noch selten in ihrem Leben. Sie hatte es geschafft, noch zwei
kleine Geschenke für die Kinder zu kaufen, für Flo ein Aufziehauto und für
Lizzy eine Einhornfigur mit Einhornkind und ein bisschen Proviant für
unterwegs. Sie sah sich um, wo blieben sie denn? Der Himmel war grau, nur ab
und zu blitzte die Sonne durch. Sie freute sich auch darauf, den Schwetzinger
Schlosspark kennenzulernen, der laut Stadtführer sehr schön sein sollte.
Na endlich, dort bogen sie um die Ecke, aber es schien Ärger
zu geben. Josue hatte ein angespanntes Gesicht und führte Flo an der Hand,
Lizzy ging etwa drei Meter hinter ihnen und schien sich nicht gerade zu
beeilen. Emily winkte mit beiden Armen. Josue beugte sich kurz hinunter, um ihr
den obligatorischen Wangenkuss zu geben. Nun ja, nach gestern Nacht hatte sie
sich die Begrüßung etwas anders vorgestellt. Dann stellte er ihr die Kinder
vor: „Emily, das ist Flo. Florian, das ist Emily. Ich habe euch ja erzählt,
dass Emily eine neue Freundin von mir ist.“
Flo trat brav vor und gab ihr die Hand. Emily hätte
dahinschmelzen können. Flo hatte einerseits die dunklen Locken seines Vaters,
aber die weiße Haut seiner Mutter und ganz blaue Augen. Er wirkte eher stämmig,
hängte die Hände in seine Latzhose und blickte sie forsch an. „Bist du unsere
neue Mutter?“, fragte er
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