Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)
„Heinzelmann“.
„Angenehm“, entgegnete sie, indem sie seine trockene Hand
schüttelte, die seltsam leblos in ihrer lag. Sie lächelten sich an und Emily
wusste aus ihrer Erfahrung als Verkäuferin, dass sie nun viel bessere
Verhandlungschancen bei ihm hatte. „Ich bin auf der Suche nach alten,
handgeschriebenen Noten. Ganz besonders gerne hätte ich Cellonoten. Mein Freund
hat Geburtstag und ist Cellist. Vielleicht kennen sie ihn, er spielt hier bei
den Heidelberger Philharmonikern.“
Ein bedauerndes Lächeln spielte um die dünnen Lippen Herrn
Heinzelmanns. „Leider war ich schon lange nicht mehr in einem Konzert, aber ich
glaube, ich habe das was für Sie.“ Er ging voran und Emily kletterte die enge
Wendeltreppe über zwei Stockwerke hinter ihm her. Da lag tatsächlich ein Stapel
Noten und er kramte eine Weile, während Emily niesen musste.
„Ja, hier oben war schon lange niemand mehr. Wusste ich es
doch, hier ist es. Die Musikhandschrift eines Cellokonzertes. Diese Version
ließ der unbekannte Komponist in einer Pension in Heidelberg liegen. Vermutlich
hat er nur die Abschrift mitgenommen, weil ihm in dieser Version noch zu viele
Änderungen darin waren. Aber ich mag diese ersten Manuskripte, die die
Überarbeitungsschritte zeigen.“
Emily schaute auf das Gewirr an engen Notenköpfen. Das
schien kein leichtes Stück zu sein. Und es wimmelte nur so von vergilbten
Anmerkungen. Das Manuskript schien auch etwas brüchig zu sein, aber wenn man es
vorsichtig behandelte, würde es vermutlich nicht gleich zerfallen. „Aus welchem
Jahr stammt es ungefähr?“
Herr Heinzelmann besah sich das Papier und schnupperte
daran. „Ich vermute, es ist so um das Jahr achtzehnhunderdreißig entstanden,
wenn ich mich nicht täusche.“
Er war ja wirklich ein Meister seines Fachs, wenn er das so
genau riechen konnte. Bestimmt würde es Josue gefallen und er konnte es gleich
seinen Kolleginnen und Kollegen heute Abend zeigen. „Und was soll das gute
Stück kosten?“, fragte Emily möglichst locker.
Er wand sich ein bisschen. „Nun, da es für einen Musiker ist
und in gute Hände gerät, mache ich ihnen einen Sonderpreis: Zweihundert Euro.“
Oh Gott, Emily hatte mit siebzig bis achtzig Euro gerechnet.
Zweihundert Euro sprengten ganz sicher ihr Budget. Seufzend sagte sie: „Ich bin
zwar die Freundin eines Musikers, aber das kann ich mir nicht leisten.“ Sie
wandte sich zum Gehen und war traurig, weil sie schon geglaubt hatte, etwas
Passendes gefunden zu haben.
„Also, für Sie, einhundertfünzig Euro“, sagte seinerseits
seufzend das Männchen. Emily schaute auf und wunderte sich, dass doch so viel
Spielraum vorhanden zu sein schien. Dann sagte sie forsch: „Für
einhundertzwanzig Euro nehme ich es und bringe Ihnen außerdem eine CD vorbei,
auf der mein Freund spielt, wenn Sie schon nicht die Gelegenheit haben, ins
Konzert zu gehen.“
Er ruckelte unbehaglich mit den Schultern, doch dann blitzte
er sie mit seinen kleinen Augen durch die Nickelbrille an. „Abgemacht. Es kommt
ja auch nicht oft vor, dass ich hier so charmante Gäste in meinem Bücherbau
habe“, flirtete er.
Sie lächelte ihn honigsüß an und hatte keine Ahnung, wer
hier wen gerade über den Tisch gezogen hatte. Vorsichtig ergriff er die Noten
und schritt vor ihr die Treppe wieder hinunter.
Einige Stunden später stand Emily herausgeputzt in ihrem
kleinen schwarzen Kleid mit den halbdurchsichtigen, kratzigen Organza-Ärmeln
und den höchsten Schuhen, die sie in den Tiefen ihres alten Schrankes finden
konnte, wieder vor Josues Wohnung und klingelte. Gerade schlug die Uhr der
Christuskirche vier Mal, sie war also pünktlich. Sie klingelte nochmal, er war
offensichtlich noch nicht da. Da zückte sie stolz ihren neuen Wohnungsschlüssel
und siehe da, er passte. Sie stieg die knarzende Treppe hoch, schloss oben auf
und roch den feinen Geruch nach Josue und seinen Kindern, als sie eintrat.
Niemand schien, seitdem sie die Wohnung verlassen hatte, dort gewesen zu sein.
Sie zog die unbequemen Schuhe von den Füßen und ging in die Küche. Unschlüssig
strich sie mit einer Hand über die kühle Granitarbeitsplatte. Sie hätte gerne
schon angefangen, aber sie wusste ja gar nicht, was er geplant hatte. Emily, so
unerfahren bist du nun auch nicht. Schau dich um, was er eingekauft hat, und
dann leg los, dachte sie. Sie ging vor dem großen Edelstahl-Kühlschrank in die
Hocke, während ihr Kleid ein wenig in den Nähen krachte. Da sah sie einiges
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