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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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Sie gaben sich höflich die Hand, während ihre
Augen Funken sprühten.
    „Schön, Sie endlich
persönlich kennenzulernen“, flötete Camilla. Emily konnte nur nicken,
weil sonst vermutlich wenig salonfähige Worte über ihre Lippen gekommen wären.
Paul lächelte, er schien Camillas Schatten zu sein, und gab Emily ebenfalls die
Hand. Alle setzten sich um den Tisch herum. Bald waren die Musiker in ein
Gespräch über die jüngste Konzertaufführung in Mannheim vertieft, an der sie
kein gutes Haar ließen. Emily schnappte Begriffe wie dilettantisch, overdone
und reizlos auf, dann genügte es ihr und sie fragte Paul: „Und wie kommen Sie
damit klar, wenn Sie unter lauter Musikern sind?“
    Er beugte sich zu ihr und flüsterte: „Gar nicht, aber
verraten Sie es niemanden.“
    Camilla funkelte von der gegenüberliegenden Tischseite zu
ihnen hinüber. „Paul, könntest du mir bitte ein Glas Wasser aus der Küche
holen?“
    Jetzt wusste Emily, wie sie Camilla ärgern könnte. Sie würde
einfach besonders freundlich zu Paul sein. Das schien ein netter Typ zu sein.Er
ging wohl schon auf die fünfzig zu, hatte sich aber gut gehalten.
    Paul kam aus der Küche zurück und rief begeistert: „Leute,
habt ihr schon gesehen, was da für Köstlichkeiten auf uns warten?“
    Da stand Emily auf, verbeugte sich leicht und sagte: „Ich
hatte die Ehre, heute das Buffet für Sie zubereiten zu dürfen. Ich habe Hunger,
ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, also ich denke, das Buffet ist eröffnet.“
    Und sie warf einen kleinen schadenfrohen Blick auf Josue,
den ihrerseits Camilla mit fragend hochgezogener Augenbraue ansah.
    „Also dann“, sagte Josue, bemüht das Heft wieder in die Hand
zu nehmen, „lasst uns schlemmen.“ Und er lief voraus in die Küche, um bald mit
vollbeladenem Teller zurückzukehren. Weitere Gäste trafen ein. Wenn Emily sich
manchmal auch ein wenig als Mensch zweiter Klasse vorkam, weil sie keine
hochwohlgeborene Musikerin war, schlug sie sich doch ganz wacker. Sie unterhielt
sich mit Paul, der sie immer wieder zum Lachen brachte, und einer kleinen
molligen Dame mittleren Alters, die bald recht angeheitert war und Anekdoten
aus ihrer Arbeit als Bühnenbildnerin zum Besten gab. Ab und zu ging sie
demonstrativ bei Josue vorbei, legte ihm den Arm um die Taille und holte sich
einen Kuss ab, so dass auch jedem im Raum klar sein musste, wer hier die Herrin
im Haus war. In einer ruhigen Minute wunderte sie sich über sich selbst. Dieses
herrische Gehabe war sonst gar nicht ihr Ding, aber so langsam gefiel sie sich
als femme fatale. Als sie von einem Gang auf die Toilette zurückkam, traf sie
Camilla in der Diele.
    „Das Buffet ist wirklich
köstlich“, sagte sie nur ganz wenig von oben herab. Dann schaute sie sich um,
ob ihnen auch niemand zuhörte. „Ich hoffe, Sie behandeln ihn gut, meinen Josue.
Er ist sehr verletzlich nach dem Tod seiner Frau, müssen Sie wissen.“
    „Ja, das ist man wohl, wenn man einen nahestehenden Menschen
verloren hat.“ Emily versuchte ruhig zu bleiben. „Aber ich hoffe, Sie behandeln
meinen Josue auch gut, denn ob gewisse Spielchen seiner Genesung so zuträglich
sind, weiß ich nicht.“ Dann wandte sie sich auf dem Absatz um und rauschte in
die Küche, um die erste Portion ihres improvisierten Desserts zu verkosten, das
tatsächlich traumhaft auf der Zunge zerging.
    Derart gestärkt, setzte sie sich zu Josue und überreichte
ihm mit einem Kuss das sorgfältig verpackte Paket. Jetzt galt es alles. Wenn
sie einer Täuschung aufgesessen war, würde das jetzt sehr peinlich werden. Wenn
die Noten echt und wirklich so alt waren, könnte das ihrem Ansehen in dieser
Runde nur guttun.
    Josue öffnete vorsichtig das dünne Päckchen. Emily hatte
noch eine Pappe dahinter gelegt und die Noten vorsichtig abgestaubt. Sprachlos
starrte er auf das Gewirr an Punkten. „Camilla“, rief er wie ein Ertrinkender,
„schau dir das an!“ Camilla stürmte an seine Seite und ging in die Hocke. Vorsichtig
folgten sie mit dem Finger dem Notenverlauf. „Denkst du das, was ich denke?“
    Sie nickte. „Gleich morgen müssen wir herumtelefonieren. Das
könnte ein Vorentwurf von Schuhmanns Cellokonzert op. 129 sein!“
    Barbara ergänzte:
„Schuhmann hat hier mal ein Jahr studiert, ich glaube achtzehnhunderdreißig, er
war ein Schüler Thibauts. Allerdings hätte er das Konzert dann lange ruhen
lassen, wenn es in seiner jetzigen Version erst achtzehnhunderfünzig
veröffentlich wurde.“
    Josue gab die

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