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Ein Jahr in Andalusien

Titel: Ein Jahr in Andalusien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Frenzel
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riesigen Sofa im Wohnzimmer auf den Tee warte, fühle ich mich ganz schlecht wegen meines groben Benehmens zu
Beginn. Jaime hat Flamenco aufgelegt, in einer Ecke des Zimmers entdecke ich einen elektrischen Heizkörper, der auf Hochtouren gegen die Kälte
ankämpft. Ich schenke Jaime mein versöhnlichstes Lächeln.
    „Hast du Lust an den Strand zu fahren?“, fragt er mich, als wir den Tee ausgetrunken haben. Er lässt mir keine Bedenkzeit, sondern setzt mir einen
Helm auf den Kopf, der aussieht wie eine halbe Eierschale. „Vergiss deine Daunenjacke nicht, wir fahren mit meiner Vespa.“ Jaime hat eine wunderschöne
weiße Primavera mit schwarzem Ledersitz, auf dem ich wie auf einem Wohnzimmersessel throne. Mit einem schnellen Fußtritt auf den Kickstarter setzt Jaime
den Motor in Gang, der gleich laut knattert, und schon düsen wir mit der Vespa durch die Altstadt in Richtung Strand. Ich drücke mich fest an Jaime, um
mich vor dem kalten Wind zu schützen. Aber als wir uns an der Strandpromenade auf einer Bank niederlassen, wärmen die Sonnenstrahlen uns so schnell,
dass ich meine Daunenjacke bald ausziehen muss. Gemeinsam blicken wir auf das aufgewühlte Meer.

    In der zweiten Januarwoche stelle ich mich zuerst in Marbella und dann in Málaga in den deutschen Redaktionen vor. Zuvor hatte ich mir
die letzten beiden Ausgaben der Wochenzeitungen besorgt, inhaltlich unterscheiden sie sichkaum. Haufenweise Porträts deutscher
Residenten, die an der Costa del Sol Vereine gründen, Karten spielen, das berufliche oder private Glück suchen, Geschichten über die deutschen
Halbpromis, die sich bei luxuriösen Galaabenden vergnügen. Dazwischen ist Buntes aus den Ortschaften gestreut, in denen die deutschen Leser leben. Die
beiden Chefredakteure wollen von mir wissen, ob ich wirklich Spanisch spreche, schreiben kann und ob ich hochmotiviert bin. Der letzte Punkt ist die
größte Hürde, denn das Honorar, das die beiden für einen Artikel zahlen, entlohnt nicht einmal den Aufwand. Doch ich habe beschlossen, hier zu bleiben,
also mache ich gute Miene zum bösen Spiel und gebe mein Bestes. Mir selbst sage ich, dass das nur ein kleines Zubrot sein soll zu meinen Aufträgen aus
Deutschland und als Produktionsassistentin. Die Wochenzeitung in Málaga entpuppt sich schließlich als attraktiver, denn zu den wöchentlichen
Redaktionskonferenzen kann ich zu Fuß laufen. Ich bekomme auch gleich den ersten Auftrag mit auf den Weg: Über Málagas Vorhaben, im Jahr 2016
Europäische Kulturhauptstadt zu werden, soll ich einen großen Artikel schreiben.
    Doch bevor ich mich an die Recherche mache, stehen drei wichtige Dinge auf meiner To-do-Liste: Ich muss mich in Spanien selbstständig melden, um
Rechnungen stellen zu können und um krankenversichert zu sein. Dann brauche ich dringend eine Internetverbindung zu Hause, und schließlich habe ich mir
noch in den Kopf gesetzt, einen ähnlich hübschen Flitzer wie den von Jaime zu ergattern, um meine neue Stadt besser erkunden zu können.
    Als ich am Abend nach meinem Vorstellungsmarathon Jaime meine Pläne offenbare, zeigt er sich vor allem gegenüber dem ersten Punkt auf meiner Liste
überaus skeptisch. „Das ist doch viel zu teuer“, sagt er nur. „Zum Arzt kannst du auch so gehen, und die Steuerfahndung hat bestimmtanderes zu tun, als die Unterlagen von Geringverdienern zu durchforsten.“ Die Krankenversicherung kostet jeden Monat 250 Euro, zudem muss ich noch
Gewinnsteuern abführen. Seine Argumente überzeugen mich aber trotzdem nicht. „Wenn ich in Spanien Rechnungen stellen will, muss ich doch selbstständig
gemeldet sein? Und in die gesetzliche Krankenversicherung komme ich nur, wenn ich angestellt oder selbstständig gemeldet bin.“ „Dafür gibt es immer
Lösungen“, sagt Jaime verschwörerisch. „Ich habe Freunde im Krankenhaus, die behandeln dich auch ohne Versichertenkarte. Und wie gesagt, keiner wird
sich um deine Rechnungen kümmern.“ Doch für mich ist die Sache klar, ich werde mich noch am nächsten Tag selbstständig melden.
    Jaime gibt mir den Tipp, zur städtischen Berufsberatung zu gehen, die einem bei dem Schritt helfe. Tatsächlich hätte ich es auf dem Amt nicht besser
treffen können. Die junge Frau, die sich als Beraterin Rocío vorstellt, hat gleich mehrere positive Überraschungen für mich parat. Weil ich jünger als
dreißig und eine Frau bin, zahle ich in den ersten beiden Jahren nur 180 Euro Krankenversicherung und sieben Prozent Gewinnsteuer anstatt

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