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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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„Surf-Mates“, da konnte er noch so sehr mit den Augen funkeln.
    Auf dem Weg nach Bondi erinnerte ich ihn (und mich) daran, dass es ja im Übrigen noch meinen reizenden, wenn auch sehr abwesenden boyfriend gab. Der hatte tatsächlich am gleichen Nachmittag aufs Band gesprochen. Als habe er geahnt, dass es nicht schaden könne, sich gelegentlich in Erinnerung zu rufen. Das war Anruf Nummer zwei in drei Wochen. Kaum eine Rekordbilanz. Aber das musste ich ja Grünauge nicht auf die Nase binden. Stattdessen kletterte ich vor meiner Haustür aus seinem feuerwehrroten Jeep. See you Saturday, maybe. Und vielen Dank für den Lift und den netten Drink. „That was great. Thanks!“, rief ich eifrig. Und das war nicht mal übertrieben. Es hatte gut getan, endlich mal mein Viertel zu verlassen, gesellig zu sein und vor die Tür zu kommen. Die nächsten zwei, drei Tage würde ich garantiert nicht mit mir selbst reden.

Mai
    Im schönsten , wenn auch nach wie vor leersten aller Einwanderer-Apartments von Bondi Beach hatte sich inzwischen eine eigenwillige, aber funktionale Variante schöneren Wohnens eingespielt. Dank diverser „garage sales“ in der Nachbarschaft besaß ich eine Reihe sehr nützlicher Utensilien. Ein Messer-Set und drei Töpfe hatte ich einer Familie, die nach England zurückkehrte, abgekauft. Ich erstand zwei 50er-Jahre-Lampen für je zehn Dollar, deren Besitzer garantiert nicht wussten, dass derlei im „Funny Fifty’s“-Shop in der Bondi Road ein kleines Vermögen kostete. Sogar eine Espressokanne und einen Schreibtischstuhl hatte ich gefunden. Das mit Abstand wichtigste Detail meiner Einrichtung allerdings war der Milchkasten. Diese quadratischen Behälter aus robustem, dunkelblauem Plastik hatten etwa das Format deutscher Mineralwasserkisten, aber es fehlte deren lästige Fächerunterteilung. Das machte sie zu idealen Transportern und Allzweckhelfern im Alltag. Die blauen Leergutkästen standen als Stützen unter Motorboot-Anhängern, als Werkzeugkisten in Garagen, dienten als Fahrradkörbe oder Altpapier-Sammler. Umgedreht wurden sie zu erstklassigen Sitzgelegenheiten. Das hatte ich in Cafés gesehen, nicht nur in Bondi: Vor allem auf dem so genannten Cappuccino-Strip, der Café-Meile in Darlinghurst, wo Rafi seinen Macchiato trank, gehörten sie fest zum Inventar. Dieser Brauch, erklärte mir mein tätowierter Gusto-Barista, der natürlich nicht mate , sondern Cam – für Cameron – hieß, erinnere an alte Zeiten.Genauer: an jene traurige Epoche, in der Essen und Trinken im Freien in Sydney schlicht nicht üblich waren. Damals, vor etwa zwanzig Jahren, tranken die Leute Plörre, der man nicht ansehen konnte, ob es Kaffee oder Tee war, und aßen pappige Bohnen in dicklicher Soße zum Frühstück. All das konnten sie ebenso gut drinnen erledigen, und zwar zu Hause. Dann kam Sydney auf den Geschmack. Überall in der Stadt entstanden „hole-in-the-wall“-Cafés, so genannte „Löcher in der Wand“, und begannen, die Koffein-Kultur zu zelebrieren. Seither musste jeder in der Stadt jederzeit Zugang zu seinem Spezialkaffee haben, vor der Arbeit, auf dem Weg zum Bus, zum „morning tea“, in der Mittagspause und erst recht am Wochenende. Eineinhalb Zucker, Sojamilch bitte, extra large, thanks. Und all diese verwöhnten Genießer wollten ihre Short Blacks und Cappuccinos natürlich wie auf der Piazza Navone oder sonstwo in der kultivierten Welt im Freien trinken. „Draußen sitzen“, erzählte Cam weiter und machte einer jungen Mutter ihren Latte ohne Zucker und einen Babyccino aus Schaum ohne Kaffee für den Nachwuchs, „war allerdings ein Problem, denn Stühle im Freien kosteten saftige Extra-Steuern.“ Milchkästen jedoch waren Milchkästen und keine Stühle. Also erlebten jene blauen Schätze einen Boom ohnegleichen. Jeden Morgen lieferten die Molkereien in ihnen je neun Zwei-Liter-Flaschen frischer Milch. Die Café-Gäste drehten die leeren Kisten als Hocker um. Ein Teil ihrer Morgenzeitung diente als Polster, das vermied Rastermuster auf Rock und Po. Den Rest der Zeitung lasen sie, und stellten Tasse, Mohn-Zitronen-Muffin oder Croissant auf einem zweiten blauen Helfer ab – dem Tisch. Sie saßen draußen und ihr Freund und Barista sparte die Stühle-im-Freien-Steuer. Abends stapelte er die Kästen zu hohen Türmen vor der Tür aufeinander, wo später die Milchautos sie wieder abholten.
    Das heißt: nicht alle, denn ich war nicht die Einzige, die die multifunktionalen blauen Würfel

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