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Ein Jahr in Australien

Titel: Ein Jahr in Australien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julica Jungehuelsing
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wiederum ersparte ihn ‚Kevvo‘ zu nennen. Er war 23 Jahre alt, zwei Meter lang und der Sohn von Bekannten von Bekannten von Freunden in Paris. Bei mir hatte er sich gemeldet, weil er für seine letzten Ferientage in Sydney noch ein paar Tipps brauchte, und einen Platz zum Duschen. Auf diese Sorte Freunde von Freunden war ich eigentlich nicht sonderlich scharf, aber Kevin war nicht nur extrem höflich, sondern auch charmant und interessant. Weil er sich nicht entscheiden konnte, ob er auf ein Management-College gehen oder für „Ärzte ohne Grenzen“ in Afrika arbeiten sollte, hatte er sich ein halbes Jahr Auszeit zum Nachdenken genommen. Er hatte ein paar Wochen lang den Uluru,wie der Ayers Rock in der Sprache der Aborigines hieß, und die Kata Tjuta Felsen im roten Zentrum umwandert. Dann hatte er einen Kleintransporter gekauft und war mit dem nach Perth, durch Westaustralien und zurück nach Sydney gefahren. Von hier ging sein Flieger zurück nach Paris. Den Van nebst Campingkram und Staub aus dem Northern Territory musste er vorher noch loswerden. 3500 australische Dollar hatte er der Vorbesitzerin in Alice für den „Mitsubishi L 300 Express“, Baujahr 1982 mit Lenkradschaltung, bezahlt. Er war cremefarben, sah aus wie die eckige Version eines VW Bullis und hatte kaum rostige Stellen. Ich dachte nach, wenn auch nicht lange, und bot meinem französischen Freund 1000. Er sagte: „Hm, eh bien, I don’t know. We’ll see“, und klebte erst mal einen „4 sale“-Zettel in die Heckscheibe. Abends riss er ihn wieder ab. Kevin war knapp an Zeit, sein Flieger ging in drei Tagen. Und er mochte meine Dusche.
    Kompetente Mitglieder meiner Verwandtschaft hielten meinen Kauf per Ferndiagnose für, nett formuliert: eher unklug. Sie atmeten ein paar Mal tief ein und aus und fragten dann, um einen gefassten Ton bemüht: „Du hast – was …?“ An meinem Ende der Leitung hörte sich das an wie: Jetzt ist sie völlig verrückt geworden. Zu viel Sonne im Hirn. Wir konnten zu Hause nämlich immer gut Fahrräder reparieren, verstanden aber alle nichts von Autos, schon gar nicht von gebrauchten. Und wer kein Schrauber war, so das ungeschriebene Familiengesetz, der kaufte nun mal besser keine billigen, alten Autos von fremden Franzosen. Schon gar nicht, wenn sie, also die Wagen, 20 Jahre auf dem Buckel hatten und aus der Wüste kamen. Kevin und ich hatten uns auf halber Strecke geeinigt: 1500 auf die Hand, dafür brachte ich ihn noch zum Flughafen, behielt aber sein Campingzeug, bestehend aus einer Kühlbox, die hier „Esky“ hieß, Zelt, Kocher und Isomatte. Der Mitsubishi-Van hatte Kevin von Alice Springs über Perth nach Sydney gebracht. Über 10 000Kilometer, nicht sehr schnell, aber ohne größere Pannen. Da würde es der Motor, so meine Expertenmeinung, schon noch ein paar Tausend Meilen weiter schaffen. In meinem Spaßmobil war nicht nur Platz für mehr Surfbretter, als ich je würde reiten können, man konnte in ihm auch schlafen, sitzen und alles Mögliche transportieren. Milchkästen zum Beispiel. Fantastisch. Ich wählte als Rufnamen für meinen neuen Freund „Express“, wahlweise kürzbar auf „Pressie“ oder wieder verlängerbar „Expresso“, und war glücklich.
    Am zweiten Tag als stolze Besitzerin eines australischjapanischen Automobils bekam meine Begeisterung einen kleinen Dämpfer. Das lag nicht am Express, der fuhr sehr wacker, sondern daran, dass ich die für Verkehr und Autos zuständige Behörde besucht hatte. Mir rauchte der Kopf. In einem wenige Minuten dauernden Informationsgespräch lernte ich mehr neue Begriffe und Abkürzungen als sonst in einer Woche: Green Slip, CTP, Pink Slip, eventuell Blue Slip und TPP hätte ich vorzulegen, ehe ich die Plakette der australischen TÜV-Variante, Registration genannt, bekäme. NRMA sei für die „Rego“ keine Pflicht, aber bei einem Auto dieses Alters sicher ratsam, nickte die nette Beamtin noch. Das rote NT auf meinem Nummernschild, das den Express als Bewohner des Northern Territory kennzeichnete, stellte das Straßenverkehrsamt vor zusätzliche Probleme: Außer den üblichen Papieren und Versicherungen – siehe oben – würde für meinen Freund aus dem Outback noch eine Art Zufalls-Diebstahl-Test fällig, ehe ich ihn ummelden könnte. Dieser Check, dessen Ziel war, zu überprüfen, ob der Express irgendwann irgendwo gestohlen worden sei, könne eine Woche dauern, vielleicht kürzer, aber auch länger. Das leuchtete ein, schließlich war das

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