Ein Jahr in Australien
über einem halben Jahr zuvor. Jawoll. Seb versprach, mich bei Gelegenheit am Strand zu besuchen, und ich machte mich an die nächste Fangfrage.
Die Kästchenreihe „Single – verheiratet – geschieden – verwitwet – anderes“ brauchte ein Häkchen. Was bitteschönging die denn das nun an, fragte ich mich, zog die Augenbrauen hoch und machte ein Kreuz hinter „Single“. Dann warf ich den Stift hin und kaute an meiner Unterlippe. Nicht wegen der indiskreten Frage, sondern wegen meiner sehr spontanen Antwort. „Single“. Genau, das war man vermutlich, wenn ein viel reisender Prinz einem etwa alle drei Wochen fragmentarische Botschaften sandte. Und wenn dessen nächste Audienz nicht zu Silvester stattfinden würde, sondern, wie ich beiläufig gehört hatte, ob wichtiger Auslandsmissionen aufs nächste Jahr verschoben worden war. Ich schob das Formular beiseite und sah aus dem Fenster. Im Westen malte die untergehende Sonne ein paar vom Vortag übrig gebliebene Regenwolken lila an, die Elstern und Papageien quatschten und zeterten, es war immer noch warm. Ich griff mein Surfbrett, zog Shorts und Lycra über und lief für ein paar Feierabendwellen runter zum Strand. Single, ja. Seltsam war, dass diese Einsicht mich nicht sonderlich aus dem Konzept brachte. Vielleicht, weil sie nur beim Namen nannte, was ohnehin längst so war. Wer nie da war, konnte einem auch nicht wirklich fehlen, oder? Wann hatte ich den dunkel gelockten Herrn noch zum letzten Mal getroffen?
Das Meer war ruhig, im türkis schimmernden Wasser bewegten sich mehr Kajaks und Ruderer, Boogieboards und Surfbretter als brauchbare Wellen. Egal, ein bisschen paddeln und dem Himmel beim Buntwerden zusehen konnte nie schaden. Der Horizont traf sich als silbergrauer Streifen mit dem Pazifik, im rosa Dunst darüber hingen ferne, bauschige Wolken. Kitsch dieser Art machte mich immer sentimental, an diesem Abend etwas mehr als üblich. Traurig war es ja schon alles. Ich seufzte, drehte mit den Fingern Strudel ins Wasser und gönnte mir eine Dosis Selbstmitleid. Da saß ich nun also, mutterseelenallein am Ende der Welt. Und nicht mal eine gute Freundin in der passenden Zeitzone, mit der ich ein paar Gläser Rotwein lang über Männer mitFluchtinstinkt und Bindungsneurosen hätte philosophieren können. Oder über die Freuden des kerlefreien Lebens. Als wolle er mich auf andere Gedanken bringen, schickte Surfgott Neptun plötzlich Dünung in die Bucht. Ich bekam eine gute, lange Welle und wäre beim Zurückpaddeln im Abendlicht um ein Haar mit Rob zusammengestoßen. „Hi, Surf-Chick, nicht so stürmisch“, lachte er und funkelte zu mir rüber. Der kam mir ja gerade recht. Wir plauderten auf den Boards sitzend ein bisschen über die Welt und das Wetter und fixierten das Meer. Dann fragte er aus heiterem Himmel, ob eigentlich mein boyfriend bei Gelegenheit mal wieder vorbeischauen würde. Gut, dass die Sonne verschwunden war, denn vermutlich wurde ich doch etwas blasser. Dann antwortete ich bemüht beiläufig: „Keine Ahnung. Vielleicht im nächsten Leben. Seit Monaten nicht gesehen. Interessiert mich nicht mehr sonderlich.“ Rob zog seine Augenbrauen in die Höhe, schwieg einen Moment und meinte dann nur: „Aha.“ Zu einem längeren Kommentar würde er sich um keinen Preis aufraffen. Er hatte schon früher angedeutet, dass er „den Israeli“, wie er Rafi nannte, für eine fahrlässige Verschwendung von Zeit und Ressourcen hielt. Es war fast dunkel geworden, ringsum in der Bucht gingen die Lichter von Bondi an. Wir nahmen eine letzte, breite Welle zusammen und wickelten am Strand die Gummileinen um unsere Bretter. Ob ich nachher vorbeikommen wolle, fragte Rob, er hätte frische Barramundi-Filets im Kühlschrank. Wir könnten ja zusammen kochen. Das Augenblitzen ließ er weg. Ja, dachte ich, wieso eigentlich nicht? Es gab keinerlei Grund, ausgerechnet heute grübelnd zu Hause zu hocken. Rob war in Ordnung, als Surffreund wie als Mate . Ich würde den Prinzen kaum durch Casanova Grünauge ersetzen, weder jetzt noch später. Aber essen musste der Mensch schließlich, und Barramundi war mein Lieblingsfisch.
Meine erste „Patrouille“ fand an einem Samstagmorgenstatt, und ich war so aufgeregt wie neugierig. Wir setzten die unvermeidlichen Kappen in Gelbrot auf, zogen die knallroten Shorts und gelben, langärmeligen Hemden über die Badesachen und schüttelten uns den Schlaf aus den Gliedern. Ich setzte die allercoolste meiner Sonnenbrillen auf,
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