Ein Jahr in London
tatsächlich die Augen für eine ganze Weile geschlossen hält.
Irgendwann kommen wir heil am anderen Ende wieder heraus und fahren sogar in die richtige Richtung.
„Das war super, können wir das noch einmal machen?“
„Wenn du erst mal dein eigenes Auto hast, kannst du jeden Tag wiederkommen“, antwortet Elli.
Nach einigen Wiederholungen dieser sonntäglichen Übungsfahrten rückt dann der Tag des Autokaufes näher. Moses, ein togolesischer Mathelehrer an meiner Schule und selbsternannter Autoexperte, hilft mir dabei und eine Woche später bin ich stolzer Besitzer eines zehn Jahre alten Minis. Was denn auch sonst? Für den habe ich mich nicht etwa entschieden, weil ich Mr-Bean-Fan wäre, sondern lediglich aus der praktischen Überlegung, dass das Rückwärts-Einparken noch nie meine Stärkewar und die Stellplätze vor unserem Haus selten die Zweimetergrenze überschreiten. Mit einem Auto, das größer als ein Mini ist, hätte ich da überhaupt keine Chance.
Für das Recht, vor meinem Haus parken zu dürfen, oder auch eine halbe Meile die Straße runter, wenn vor dem Haus selber wieder einmal kein Platz ist, bezahle ich stolze 120 Pfund pro Jahr. Dafür aber spart man anders auf der Insel: Wer auch immer es schafft, für Geschwindigkeitsübertretungen geblitzt zu werden, muss ein großer Pechvogel sein. Denn Radarfallen werden hier, höflich wie immer, unübersehbar angekündigt. Mit Warnschildern, knallgelben Kamerakästen und natürlich den obligatorischen Fahrbahnmarkierungen. Fair Play muss sein. Als ich Elli erzähle, dass Radarfallen in Deutschland getarnt und versteckt werden, ist sie entsetzt: „Und da beschwert sich niemand? What a strange country!“
Und auch beim Parkplatzsuchen in der Hauptstraße von Primrose Hill kommen mir die englischen Behörden sehr zuvorkommend vor. Nirgendwo ein Parkverbotsschild und wunderbar viel Platz. Bis ich dann eines Tages von einem Kurzbesuch im Supermarkt auf die Straße trete und weit und breit keinen Mini sehe.
Ich laufe zweimal die Straße auf und ab, gehe zurück in den Supermarkt, bleibe ein paar Minuten an der Käsetheke stehen und überlege hin und her. Als ich wieder heraustrete, ist das Auto immer noch weg. Einfach verschwunden.
„Excuse me“ , rede ich eine wildfremde Frau an, die zufällig vorbeigeht, „haben Sie hier eben ein Auto gesehen?“
„No“ , sagt sie und läuft weiter. Der Autoschlüssel rasselt in meiner Hand. Das kann doch nicht wahr sein.
Dann tippt mir jemand auf die Schulter. Ich drehe mich um und schaue einer Politesse ins Gesicht. Ohne einen Ton zu sagen, zeigt sie auf die Straße.
Ich folge ihrem Finger und sehe zwei längslaufende Streifen auf der Fahrbahn. Natürlich. Ich hätte mich gleich nach Strichen umsehen sollen.
„Absolutes Halteverbot , my dear .“
„Ja, und wo ist mein Auto?“
„Abgeschleppt. Hier ist die Adresse, da können Sie es wieder abholen.“
Ich schlucke erst mal.
„Hätte ein Strafmandat nicht gereicht? Oder selbst eine Kralle?“
„Tut mir leid, my dear , so läuft das nun mal.“
Ich frage erst gar nicht nach den Kosten, sondern nehme die erste U-Bahn Richtung Euston, wo mein Mini angeblich hinverschleppt worden ist.
In einer Nebenstraße in der Nähe des Bahnhofes finde ich die Adresse: Neben einem Schrottplatz befindet sich ein großes Gelände, auf dem die heutige Beute zur Schau steht. Hunderte von Autos stehen aneinandergereiht, als würden sie hier zum Verkauf dargeboten. Zwischen den glänzenden Metalldächern erblicke ich nach einigem Suchen meinen Mini. Ein Mann im blauen Overall bringt mir meine Rechnung: 125 Pfund plus eine mysteriöse Gebühr von 50 Pfund für das „Befahren der Zone“.
„Ich verstehe zwar, dass ich für das Abschleppen zahlen muss. Aber dass ich in eine verbotene Zone gefahren bin, war mir nicht bewusst.“
„Sie haben doch wohl von der Congestion Charge gehört?“ Ich nicke. Die Congestion Charge , eingeführt vom Bürgermeister Ken Livingstone, ist eine Gebühr für das Befahren der Londoner Innenstadt. Zu der Primrose Hill aber nun ganz bestimmt nicht gehört, wie ich dem Mann aufgebracht erkläre.
„Das nicht, aber wir sind hier ja in Euston. Und das ist in der Congestion Zone .“
„Ja, aber da bin ich doch nicht reingefahren.“
„Nein, aber Ihr Auto ist reingefahren, ohne dass die Gebühr bezahlt wurde.“
„Es wurde reingeschleppt !“
„Was auch immer, jedenfalls ist es jetzt drin. Tut mir leid, love , aber entweder Sie zahlen
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