Ein Jahr in New York
seit mehr als vier Jahren Single, und bisher war das Thema Mann überhaupt kein Thema gewesen. Vor zwei Wochen hatte sie dann beschlossen: „Mit dem Solo-Dasein ist jetzt Schluss!“ Ohne große Umwege wurde sie Mitglied bei match.com, verbrachte seitdem Stunden und Tage virtuell online und die Abende auf realen „Dates“.
„Sex inklusive?“, wollte ich wissen, obwohl ich mir die Antwort schon denken konnte. Wieder so ein Paradox im ansonsten eher calvinistisch-lustfeindlichen Amerika, in dem ein nackter Körper in der Sauna für größeres Aufsehen sorgt als Sex mit mehreren Verkehrsteilnehmern. „Wenn man Lust drauf hat. Klar kann man auch mit verschiedenen Typen schlafen“, so Valerie, „wenn man mit demselben Mann mehrmals ausgegangen ist, ist Sex sowieso die logische Konsequenz. Wenn man das nicht will, muss man den Typ vorzeitig entsorgen.“ Entsorgen? Logische Konsequenz? Mein Gott, war ich prüde. Oder altmodisch romantisch? Oder einfach zu deutsch. Ich gehörte eindeutig in die Kategorie Romantiker, für die eine Beziehung noch etwas Exklusives zwischen zwei Menschen war. „Ist es nicht wahnsinnig stressig, sich auf mehrere Menschen gleichzeitig einzulassen und allen das Gefühl zu geben, sie seien der oder die Einzige?“, stellte ich das Konzept des „Datens“ weiter in Frage. „Man muss nur strategisch planen und aufpassen, dass man nichts durcheinanderwirft. Außerdem hat der andere ja auch keine Verpflichtungen und kann sichtreffen und schlafen, mit wem er will. Viele wollen gar keine feste Bindung und einfach nur Spaß haben“, sagte sie leichtfertig.
Wir klickten von einem Profil zum nächsten. Schon faszinierend. Wie in einem Selbstbedienungsladen begutachteten wir die Ware Mann. Der eine spielte Tennis, Schach und lief Marathon. Zu ehrgeizig. Löschen. Der andere fuhr Porsche, hatte ein Sommerhaus in den Hamptons und ging am liebsten beim Edel-Japaner „Nobu“ essen. Ein Angeber. Löschen. Der Nächste versprach, sich für alles zu interessieren, was sein zukünftiges Herzblatt im Leben liebte. Zu langweilig. Löschen. „O mein Gott, wie sieht denn der aus. Wie ein Serienmörder!“, prustete Valerie los. „Sofort löschen“, befahl ich.
Es gab natürlich auch reichlich vielversprechende Kandidaten. Vorausgesetzt, man durfte den manchmal fast schon zu hinreißenden Profilen glauben. „Du weißt ja, dass viele einfallslose Singles mittlerweile professionelle Autoren für ihre Website engagieren, um ihrer Identität verbal ein bisschen Sex-Appeal zu verleihen“, murmelte ich Valerie zu, die gerade dabei war, ein Treffen mit einem dunklen Lockenschopf zu organisieren. „Vis-a-vis entlarven sich diese Blindgänger ja Gott sei Dank ganz von selbst“, antwortete sie. „Schau dir mal diesen schnuckeligen Typ an, den treffe ich morgen.“
Ganz nach dem Prinzip des amerikanischen Datens testete Valerie nicht einen nach dem anderen, sondern traf sich wild durcheinander. Mindestens drei Abende die Woche war sie nun damit beschäftigt, sich von fremden Männern zum Kino, Dinner oder auf einen Drink ausführen zu lassen. Manchmal traf sie sogar zwei am selben Abend. Ich fühlte mich zuhause fast ein bisschen verlassen.
„Was denkst du, passt die Bluse besser zur Jeans oder zum Rock?“ Val begutachtete sich im Spiegel. „Was macht er?“, fragte ich. „Er ist Investmentbanker.“ – Alles klar: „Rock!“ Da ich für ein Frauenmagazin arbeitete, hielt Val mich für eine qualifizierte Fachkraft auf dem Gebiet Mode. Ich bekam im Gegenzug die Details ihres Nachtlebens serviert und gleichzeitig Nachhilfe im Daten.
„Beim ersten Treffen verabrede ich mich meistens zum Kino. Wenn der Typ die absolute Enttäuschung ist, geht man danach einfach nachhause. Dann hat man wenigstens einen Film gesehen und musste sich nicht zwanghaft miteinander unterhalten.“ Lektion Nummer eins.
„Wenn der Typ interessant ist, ruft man ihn trotzdem auf keinen Fall an. Das könnte einen gewissen Notstand signalisieren. Immer warten, bis er sich meldet! Dann verabredet man sich als Nächstes auf einen Drink. Bloß nicht gleich zum Essen. Das kann nämlich sehr zäh werden. Wenn man Pech hat, ist er doch ein Langweiler, merkt es nicht, bestellt Vorspeise und Nachtisch und man sitzt stundenlang mit einem öden Gespräch fest.“ Lektion Nummer zwei. – PS: Eine Website empfiehlt für dieses Beziehungsstadium außerdem: „Vermeide es, kontrovers oder übermäßig eigenwillig zu sein. Halte die Dinge
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