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Ein Jahr in San Francisco

Ein Jahr in San Francisco

Titel: Ein Jahr in San Francisco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Bayers
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deckt siebzig Prozent der Kosten ab – bis maximal 2500 Dollar im Jahr.“ Und mit diesem Versicherungsschutz könne ich mich im Vergleich zu anderen Amerikanern bereits schon glücklich schätzen. Da gesetzliche Versicherungen nicht existieren und man bereits für einen durchschnittlich guten Versicherungsschutz mehrere hundert Dollar im Monat bezahlt, gibt es viele Menschen, die sich gar keine Krankenversicherung oder maximal eine Notfallversicherung leisten können. Staatliche Unterstützung gibt es nur durch die Programme Medicaid und Medicare . Während Medicaid sozial schwache Bürger mit gar keinem bis geringem Einkommen unterstützt, übernimmt Medicare einen Teil der Gesundheitskosten von pensionierten Bürgern.
    „Knapp fünfzig Millionen der Amerikaner haben gar keine Versicherung, über 35 Millionen sind nicht ausreichend versichert. Insgesamt hat also fast ein Drittel der Bevölkerung keine adäquate Krankenversicherung. Das amerikanische Gesundheitssystem ist nun mal das teuerste der Welt“, fährt sie seufzend fort. Dabei verschweigt sie, dass die Qualität noch nicht einmal zu den weltweit zwanzig Besten zählt. „Du kannst dir auf Yelp mal die Bewertungen meines Zahnarztes ansehen“, schlägt Katie vor. „Er ist echt gut.“ – „Was ist Yelp ?“, frage ich, und sie starrt mich an, als hätte ich wissen wollen, wer Barack Obama sei. „ Yelp ist eine Bewertungsund Empfehlungswebsite. Dort findest du unter anderem Ratings für Ärzte, Restaurants oder sogar Nagelstudios.“ Ich öffne die Seite und finde Katies Zahnarzt. „Nicht schlecht – er hat vier von fünf Sternen“, stelle ich fest, und Katie schaut mich zufrieden an. Ich bekomme für den nächsten Tag einen Termin.
    In der Praxis werde ich schon nach einer kurzen Wartezeit von einem Assistenten in einen großen hellen Raum geführt, der durch vier hüfthohe Regale unterteilt ist. In jedem dieser Quadrate steht ein grauer Behandlungsstuhl. Der junge Assistent stellt sich vor: „Hi, ich bin John. Als Erstes werden wir achtzehn Röntgenbilder von deinem Gebiss machen.“ Ich schaue ihn fragend an. „Warum denn so viele?“ Aus Deutschland bin ich maximal eine Röntgenaufnahme gewohnt und dann in der Regel auch nur, wenn es wirklich notwendig ist. „Routine. Wir machen das bei jedem neuen Patienten, um uns ein umfassendes Bild machen zu können.“ So, so!
    Ich steige in den großen Zahnarztsessel, und mein Blick richtet sich automatisch gegen die Decke, an der zwei große Bilder angebracht sind. Das linke Foto eröffnet den Blick von unten in eine grün leuchtende Palme, aus der jederzeit eine pralle Kokosnuss zu fallen droht. Das rechte Bild präsentiertdrei weiß-rote Düsenflieger, die Blue Angels , Elite-Flieger der US Navy, die jährlich am Columbus-Day -Wochenende im Oktober am Himmel San Franciscos während der sogenannten Fleet Week ihre Kunststücke zeigen. „Bilder an der Decke habe ich bisher in deutschen Zahnarztpraxen noch nicht gesehen, sehr cool“, sage ich. „Danke, freut mich! Ja, der Besuch soll ja schließlich Spaß machen“, meint er. Warst du schon mal bei der Fleet Week ?“, fragt er dann. „Bisher noch nicht.“ – „Es gibt Live-Musik und beeindruckende Flugdarbietungen der Kriegsmarine. Das solltest du dir auf jeden Fall einmal anschauen.“ John macht sich an die Arbeit, und die achtzehn Aufnahmen dauern keine fünf Minuten. Dank eines neuartigen Röntgengeräts kann er sie direkt im Behandlungszimmer machen, ich muss mich noch nicht einmal aus dem Stuhl erheben. Direkt vor mir an der Wand hängt ein Computerbildschirm, auf dem die Röntgenbilder in Echtzeit übertragen werden.
    „Willst du Lachgas für die Behandlung?“ – „Bitte, was?“ – „Lachgas! Die Leute lieben es. Wenn du einmal damit behandelt worden bist, willst du gar nicht mehr ohne.“ Verschwörerisch lächelt er mir zu, ich nicke etwas zögerlich, und er zieht einen weißen, dicken Schlauch aus dem Schrank. Die große Öffnung samt Nasenstück in der Mitte erinnern mich an eine Beatmungsmaske im OP-Saal. Vorsichtig legt er mir das Nasenstück auf und klemmt zwei weiße Wattetupfer zwischen meine Wange und den Schlauch, so dass er nicht unmittelbar auf der Haut klebt. Ich bin gespannt, wie mein Körper darauf reagieren wird. Müde? Schwerelos? Berauscht? Ich spüre, wie das Gas in meine Nase strömt. John fragt mich, ob ich etwas lesen möchte, und reicht mir ein Frauenmagazin aus dem Regal. Doch sobald ich es in den Händen

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