Ein Jahr in San Francisco
fallen Namen von bekannten Investoren aus dem Silicon Valley. Der Typ hinter der Bar fragt: „What can I get you, guys?“, und wir bestellen die erste Runde, auf meinen Wunsch hin das deutsche Franziskaner-Bier. Alex, nach dem zweiten Bier gesprächig geworden, fragt die Männer, was sie feiern. Ein bierseliges Muskelpaket mit Glatzkopf erzählt, sie hätten heute Morgen eine große Finanzierungsrunde durch eine Venture-Capital -Firma bekommen. Alex hört interessiert zu, doch irgendwann dreht er sich wieder zu uns um: „Was soll eigentlich dieser ganze Hype? Wieso will eigentlich jeder ins Silicon Valley?“ – „Das Silicon Valley ist so anziehend für Jungunternehmer wie Mekka für die Muslime“, feixt Vijay. „Im Valley treffen Geschäftsideengeber und -finanzierer zusammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man eine Geldspritze für eine Geschäftsidee bekommt, ist nirgends in der Welt so hoch wie dort. Und auch der Fun-Faktor kommt im Valley nicht zu kurz. Obwohl die Arbeit hart und intensiv ist, sollst du Spaß dabei haben, selbst wenn das einiger Whiskey Happy Hours und dicker Start-up-Parties bedarf.“ Richtig! Das Motto lautet: Work hard, play hard! Wenn man morgens in Palo Alto, einem kleinen Städtchen im Silicon Valley, in einem Café ein breakfast to go mitnimmt, laufen einem bereits eine Handvoll von Investoren und Unternehmern über den Weg. Die Leute sehen zwar nicht unbedingt so aus, sind total locker in Flipflops, Jeans und Baseballkappe gekleidetund lachen einem freundlich zu, aber jeder davon spielt im Valley eine Rolle, ob als Investor, Gründer oder Software-Ingenieur. Durch diesen Mix entstehen viele spannende Ideen; beinahe wie eine Petrischale für Tech-Start-ups.
Vijay bestellt eine weitere Runde, und Alex erklärt uns, wie wir die Website von Healthquestion verbessern könnten. Ich schreibe Nick eine SMS, dass es etwas später wird. Eigentlich sind wir heute Abend noch verabredet, doch ein Drink mit Alex und Vijay sollte schon noch drin sein. In einem Zug schüttet Vijay den Rest seines Biers hinunter, aus der Diskussion ist mittlerweile fast ein Monolog geworden. Das Mysterium Silicon Valley ist eben Vijays Lieblingsthema. „Der Großteil der amerikanischen Technologieunternehmen stammt aus dem Valley.“ Er öffnet eine App auf seinem iPhone und zeigt auf eine Liste von Unternehmen, die im Silicon Valley angesiedelt sind: Apple – Microsoft – IBM – Google – Oracle – Intel – Cisco. „Alle Unternehmen, mit Ausnahme von Microsoft in Seattle und IBM in New York, haben ihren Hauptsitz in Kalifornien“, sagt er. Zusätzlich liegen beinahe vierzig Prozent des gesamten Investmentbudgets der USA in Nordkalifornien. Hier haben die Venture Capitalists , die sogenannten Risikokapitalgeber, deren unscheinbare Büros die Sand Hill Road in Menlo Park spicken, die Spendierhosen an. Hier wird Healthquestion fliegen.
Manchmal hätte ich auch gerne die Überzeugung und anhaltende Energie Vijays, der schon viel mehr amerikanische als indische Verhaltensmuster zeigt. Kein Wunder, schließlich lebt er seit knapp zehn Jahren in den USA. Einer seiner Grundsätze ist das Think Big . Warum über die Limits und Beschränkungen nachdenken, wenn es so viele Möglichkeiten gibt? Warum nicht ein Wagnis eingehen, wenn sich daraus so viele Chancen entwickeln? Warum nicht für den großen Traum neue Wege gehen? Entschlossen leere ich meinGlas und schaue auf die Uhr: Bereits neun. Ich will eigentlich noch zu Nick und nicht zu spät bei ihm aufkreuzen, denn die letzten Tage ist er schon so verstimmt gewesen. „Guys, have fun. I am heading out“, verabschiede ich mich kurzerhand und lasse die zwei, die sich mittlerweile angeregt mit der Start-up-Truppe am Nachbartisch unterhalten, zurück.
Doch als ich bei Nick ankomme, macht er nicht eben den Eindruck als hätte er mich sehnlich erwartet. Im Gegenteil: Er sitzt mit seinen Kumpels in der Küche, von Pizzakartons und Bierflaschen umgeben. Sie haben Spaß, spielen Trinkspiele, und Nick beachtet mich nicht weiter. Ich schnappe mir ein Bier und quatsche ein bisschen mit seinem Freund Mike. Doch eigentlich frage ich mich die ganze Zeit, was ich eigentlich hier mache. Irgendwann wird es mir zu blöd und ich gehe – ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Jetzt bin ich extra früher zu ihm gefahren. Und nun? Wahrscheinlich wird Nick meinen Abgang noch nicht einmal registrieren! Kraftvoll lasse ich die Tür ins Schloss fallen. Anscheinend bemerkt er es schon,
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