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Ein Jahr in San Francisco

Ein Jahr in San Francisco

Titel: Ein Jahr in San Francisco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Bayers
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House bekommt ihr eine heiße Schokolade“, versuche ich, die Stimmung zu heben, doch ich ernte nur müde Blicke. „Und einen tollen Ausblick!“ Denn das Cliff House am Ocean Beach im Westen der Stadt eröffnet einen weiten Blick aufs blau schimmernde Meer und die Felsvorsprünge des Seal Rocks, auf dem die speckigen Seelöwen faulenzen. „Rita, Seelöwen sind doch sonst immer etwas für dich“, versuche ich sie zu ködern. Und siehe da: „Oh, herrlich. Das ist einer der schönsten Ausblicke! Toll, toll!“, schreit Rita uns ganz aufgeregt zu, nachdem sie statt einer heißen Schokolade doch lieber einen Kaffee mit Schuss bestellt hat. Innerhalb kürzester Zeit ist sie wieder aufgewärmt sowie gut gelaunt und hopst mit ihrer Kamera vor dem Panoramafenster herum.
    Bis Dienstag sind Mom und Rita noch bei mir. Während ich im Büro arbeite, marschieren sie den Embarcadero entlang , die beliebten Landungsbrücken mit Blick auf die Bucht. Und während ich E-Mails schreibe, verfassen sie Postkarten im Ferry Building und genießen den Ausblick von der von Palmen und Restaurants gesäumten Promenade. Vor 1989 wäre das nicht möglich gewesen, denn bis zum Loma-Prieta-Erdbeben befand sich dort, wo das heutige Embarcadero verläuft, noch eine mehrspurige Autobahn. Nach derKatastrophe hat man die Zeit um mehrere Jahre zurückgedreht, und heute tuckern dort statt schneller Autos die nostalgischen Street Cars.
    Das gesamte Embarcadero ist flach angelegt, und so laufen die beiden sogar bis zum Pier 39 . Und abends erzählen sie begeistert von all den Snacks, die sie getestet haben: Clam Chowder und Dungeness Crab , chinesische Frühlingsrollen und Crab Louis Salad, Irish Coffee und chinesische Glückskekse. Lediglich die Clam Chowder , die bekannte dickflüssige Muschelsuppe, die in einem ausgehöhlten Laib Brot, dem Sourdough Bread , serviert wird, bekommt Rita nicht ganz, abends hängt sie über der Toilettenschüssel. Meine Mutter ist besorgt: „Eigentlich hat sie einen Saumagen. Aber vielleicht hätte sie nicht das komplette Brot essen sollen. Ich habe meines an die Möwen verfüttert.“ – „Morgen ist sie bestimmt wieder fit“, beruhige ich meine Mutter, und Charles verordnet Rita einen ordentlichen Digestif aus unserer Mini-Bar, den sie dankend annimmt.
    Meine Familie – für ein paar Tage ein Stückchen Heimat in der Ferne! Doch am Mittwochmorgen verlassen die beiden San Francisco wieder, und kaum haben sie die Tür hinter sich zugezogen, vermisse ich sie bereits. Zu gerne hätte ich sie auf ihrem Trip begleitet, aber mein begrenzter amerikanischer Urlaub lässt das einfach nicht zu. Mit zwei Wochen im Jahr und zehn sogenannten sick days , die man in Anspruch nehmen darf, wenn man wegen einer Krankheit ans Bett gefesselt ist, muss ich genau überlegen, wann ich meine Urlaubstage einlöse. Auch Rita und Mom vermissen mich während ihres Trips. Regelmäßig erhalte ich Anrufe und E-Mail-Updates. „Eine unvergesslich schöne Tour“, bestätigt Mom schon nach drei Tagen am Telefon. Ihre Reiseroute geht von San Francisco aus Richtung Yosemite Nationalpark bis nach Las Vegas. Nach einem Abstecher in den beeindruckenden Grand Canyon National Park wollensie weiter nach San Diego, um in Seaworld die Kunststücke der Delphine zu bestaunen. Auch Hollywood darf auf der Route nicht fehlen. In Los Angeles bleiben sie drei Tage und fahren danach die Küste wieder hinauf bis zu mir nach San Francisco. Auf dieser circa achtstündigen Strecke den Highway 1 entlang liegen sehenswerte Stopps in Santa Barbara, Big Sur, beim 17-Mile-Drive und Carmel-by-the-Sea. Das letzte Wochenende von Mom und Rita wollen wir dann mit einem gemeinsamen Tagesauflug in die nah gelegenen Weinanbaugebiete Sonoma und Napa Valley ausklingen lassen.
    Nach ihrem Aufenthalt im Yosemite-Park erhalte ich Post: „Meine liebe Tochter,
    am Sonntag haben wir uns auf unsere Sequoia-Tour begeben. Der gut dreißig Meter große Grizzly-Giant-Baum hat mich sehr beeindruckt. Er ist um die 2000 Jahre alt und sogar größer als die Freiheitsstatue. Rita hat ein bisschen Probleme mit der hohen Lage hier, denn der Park befindet sich circa 1800 Meter über dem Meeresspiegel, aber das ist wohl eine notwendige Bedingung für das Wachsen der Sequoias. Wie du auf dem Foto sehen kannst, ist Rita sehr angetan von den Bäumen. Sie ist bester Laune und scherzt, dass ihr immer noch die Clam Chowder quersitzt.
    Bis bald in Sonoma, deine Mutter“ Und natürlich hat sie auch das

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