Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein Jahr in Stockholm

Titel: Ein Jahr in Stockholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Beer
Vom Netzwerk:
Mälarensee wechselte und auf gutem Weg ist, den schwedischen Fußball vor dem Untergang zu bewahren.
    „Schau hin, der Deutsche wieder“, schreit der Herr auf dem Platz vor mir einem Freund zu. „Der startet alle Angriffe. Klein, aber flink und gut im Kopf“, bestätigt der. „Ein echter Deutscher eben. Unsere Jungs nehmen’s viel zu leicht.“
    Ta-det-lugnt ist auf dem Platz nun wirklich nicht angebracht. Auf den Tribünen schon eher. Die Östermalmer machen das Beste draus, zupfen das auf die Clubfarben abgestimmte Lacoste-Hemd zurecht, winken das Mädchen mit den Biergläsern im Bauchladen zu sich und skandieren die verbleibenden Minuten bis zum Halbzeitpfiff: „Jan-ne Tau-er, Be-cken-bau-er!“ Am Ende hilft alles nichts. „Die Heizung“ wird kalt erwischt und geht mit Fähnchen und Tröten unter. Wir laufen wieder klack-klack-tock-tock nach Hause.
    Am Abend kämpfen wir uns mit einem Wäschekorb voller Geschirr und Essen im Zickzack über die Hinterhöfe unserer Nachbarhäuser. Oskar feiert eine Wohnungseinweihungsparty. Die ersten Gäste sind schon zugegen und spielen komische Spiele. Das denke ich zumindest, als uns Elin zu sich winkt und je einen Schwamm in die Hand drückt. „Die Vormieter waren echte Vandalen“, stänkert sie. „Haben hier mehr als ein Jahr drin gewohnt und zum Auszug nur die Hälfte der Wände notdürftig geschrubbt.“
    Schrubben, skura , ist ein Wort, das mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht geläufig ist, weshalb ich davon ausgehe, dass wir die Tapete einweichen, um sie später leichter von der Wand zu kriegen. Ich rubble also weniger, als ich tränke, was so lange unbemerkt bleibt, bis sich an einer Stelle der Wand eine faustgroße Delle bildet. Oskars Vater sticht sie auf und lässt sie austrocknen, als wäre es eine Brandblase. „Was machst du denn bloß?“, fragt er mich und deutet auf die Pfütze am Boden. „Nicht alles unter Wasser setzen!“ – „Du bist wie Linnéa“, ruft Caro und lacht. Sie hat die Aufgabe kapiert, mich aber nicht eingeweiht. Wer in Stockholm auszieht, weißelt die Wände nicht, er schrubbt sie blank. Ist doch klar!
    Oskar, der sich auf das Alleinwohnen gefreut hatte, lebt bereits mit Ylva zusammen. Er hatte sie beim Marathon kennengelernt. Auf unsere Frage, ob das alles nicht sehr frühkomme, schüttelt er den Kopf und verkündet: „Ach woher! Das ging bei Svea und Maiske genauso schnell. Und mit beiden war ich vier Jahre liiert. Erst mit der einen, dann mit der anderen, versteht sich. Nicht dass ihr wieder falsche Schlüsse zieht.“ Manchmal glaubt man jemanden in- und auswendig zu kennen und wird eines Besseren belehrt.

    Wann und wo treffen sich zwei Züge, wenn der eine um 16.55 Uhr in Stockholm losfährt und ihm der zweite um 17.42 Uhr aus Göteborg mit der gleichen Durchschnittsgeschwindigkeit von 177 km/h entgegeneilt? Pünktlich zum Abendessen in der schwedischen Provinz.
    Ich komme von einem Termin im Göteborger Liseberg, Nordeuropas größtem Vergnügungspark, wo in sieben Metern Höhe um die dreißig Leute aus der Gondel eines hin- und herschwingenden Fahrgeschäfts gefallen sind. Ich spreche mit Polizei, Betreibern und Zeugen und frohlocke dann in der ersten Klasse des X 2000 über kostenloses Internet, das noch geschwinder ist als der Schnellzug. Als ich Caro am Bahnsteig der Kleinstadt Skövde entdecke, liegen Bericht und Fotos bereits im E-Mail-Account der Redaktion in Hamburg.
    Eine Schwedin hat uns eingeladen, die Caro wieder einmal in Zürich kennengelernt hatte. Marie erfüllt so ziemlich alle Erwartungen, die ich an eine Schwedin Ende zwanzig stelle. Ich weiß von Caro, dass sie seit Jahren verlobt ist, mit ihrem Freund David zusammenwohnt, seit sie denken kann – ans Heiraten aber denkt sie nicht. In diesen Sommermonaten ist sie hochschwanger, arbeitet jedoch weiterhin Vollzeit. Ta det lugnt!
    Als wir die Wohnung der beiden betreten, fallen auch wie so oft ein Hund sowie ein riesiger Flachbildschirm inmitten einer sündteuren Einrichtung ins Auge. David sitzt hochkonzentriert am Computer; aus den Lautsprecherboxen dringtvertrauter Krach. Wie Lars und Anders entspannt sich David bei Gewaltspielen, die hierzulande großzügig toleriert werden und für die sich Freunde vernetzen, um Turniere auszutragen. Vielleicht mit ein Grund, warum David wie etliche schwedische Männer nach der Geburt des Kindes eine Zeit lang zu Hause bleiben will. So also läuft das auch auf dem schwedischen Land.
    Neu hingegen sind mir später die

Weitere Kostenlose Bücher