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Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1

Titel: Ein kalter Hauch im Untergrund - Neal Carey 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Noch nicht.
    »Haben wir nicht«, sagte Chase eifrig. »Scott hat uns erst vor fünf Tagen informiert. Loyalität unter Teenagern oder was-weiß-ich. Wir haben gleich danach Kitteredge kontaktiert.«
    »Wen hat Scott angerufen? Sie oder Mrs. Chase?«
    »Mich«, sagte Liz Chase.
    »War er einer von Allies Liebhabern?«
    »Nur ein Freund.«
    Neal nahm sich von den Weintrauben, die in einer Obstschale lagen und schob sich eine Frucht in den Mund. Irgend etwas stimmte hier nicht. »Und er ist Allie einfach so begegnet, mitten in London? Was hat er da überhaupt getrieben?«
    »Er war auf Klassenreise.«
    Schöne Schule, dachte Neal, dessen eigene Klassenreise ihn keine 50 Meilen aus der Stadt geführt hatte.
    »Ist irgend etwas Besonderes passiert, bevor Allie verschwunden ist?« fragte Neal. Er kam sich dumm vor. Es war eine unsinnige Standardfrage. Normalerweise machten Eltern solche Angaben ohnehin freiwillig.
    Niemand sagte etwas. Neal aß Weintrauben, um sich die Zeit zu vertreiben.
    Zwei Trauben später sagte er: »Soll das heißen, daß nichts Ungewöhnliches passiert ist oder daß etwas Ungewöhnliches passiert ist, wir aber nicht darüber reden wollen?«
    »Allie war übers Wochenende daheim«, sagte Liz. »Sie hat einfach nur rumgehangen, wirklich.«
    »Nein, Mrs. Chase, sie hat nicht einfach nur rumgehangen. Sie ist nach Paris geflogen. Sehen Sie, bei den meisten Ausreißern gibt es einen sogenannten ›auslösenden Moment‹. Ein Streit mit den Eltern, ein Streit zwischen den Eltern… Vielleicht hat sie sich geärgert, durfte sich nicht mit ihrem Freund treffen… vielleicht wurde ihr Taschengeld gekürzt…«
    »Nichts dieser Art«, sagte Chase. Er klang so, als wäre er ganz sicher.
    »Wie schade. Es hilft nämlich beim Suchen. Wenn man weiß, wovor ein Kind wegläuft, kann man sich überlegen, wo es hinläuft. Aber hier war alles ganz normal?«
    Mehr Weintrauben.
    »Wann haben Sie Allie das letzte Mal gesehen?« Noch eine dumme und überflüssige Frage.
    »Samstag abend war ich auf einer Party, einer Wohltätigkeitsparty«, sagte Liz Chase. »John war in Washington. Er ist… wann bist du nach Hause gekommen, Darling?«
    »Gegen zehn, schätze ich.«
    »Ich war länger weg. Bestimmt bis eins. Ich habe noch kurz nach Allie gesehen. Sie schlief.«
    »Schlief sie, oder war sie bewußtlos?«
    Chase sagte: »Ihre Attitüde gefällt mir gar nicht.«
    »Mir geht’s ähnlich«, sagte Neal. »Aber wir stecken beide drin.«
    Liz unterbrach sie. »Als wir am Sonntag aufstanden… spät… war Allie weg. Sie hat Marie-Christine gesagt…«
    »Wem?«
    »Einer der Bediensteten. Allie hat ihr gesagt, sie ginge spazieren.«
    »Was sie getan hat?«
    »Was sie getan hat.«
    Einen Augenblick lang überkam Neal das Gefühl, aufstehen und im Raum auf und ab gehen zu müssen. Eine dieser »Keiner verläßt den Raum, bis«-Nummern. Statt dessen sank er tiefer ins Sofa und fragte: »Okay, Sie haben dann Kaffee getrunken und Omeletts gegessen und die Sunday Times gelesen. Dann ist Ihnen aufgefallen, daß Allie nicht wiederkam. Und dann?«
    »Ich bin losgefahren, um sie zu suchen«, sagte Liz.
    Der Senator sagte nichts.
    »Sie haben sie nicht gefunden.«
    »Aber ich habe ihren Wagen gefunden, er stand an der Bushaltestelle, also dachte ich gleich…«
    Sie ließ den Gedanken fallen, als versuchte sie, sich einen neuen Schluß auszudenken.
    »Sie haben gedacht, daß Allie wieder weggelaufen ist.«
    Liz nickte. Sie sah ihn mit ihren braun-grünen Augen traurig an. Was wollen Sie mir sagen, Mrs. Chase? »Wie oft ist Allie schon weggelaufen?« fragte Neal. Er blätterte in der Akte. Keine Rede von weiteren Ausbrüchen. Prima.
    »Vier- oder fünfmal«, erledigte Lombardi seine Arbeit.
    »Nach Übersee?«
    »Nein, nein«, versicherte Lombardi schnell. »Zweimal New York. Einmal Fort Lauderdale. L. A.«
    »Einmal zu ihren Großeltern nach Raleigh«, sagte Liz. »Wir waren gerade in Washington.«
    »Steht Allie ihren Großeltern nahe?«
    »Allie steht niemandem nahe, Mr. Carey«, sagte Mrs. Chase.
    Die Sonne ging unter. Neal beobachtete, wie das Meer grau wurde.
    »Und daraufhin haben Sie die Cops und das FBI und die Nationalgarde verständigt.«
    Man nannte so etwas »den Klienten reizen«, und dafür konnte man mächtig Ärger kriegen. Oder man regte den Klienten damit so sehr auf, daß er alle Vorsicht fahren ließ und einem etwas Wichtiges verriet. Oder beides.
    »Oder haben Sie nur die Küstenwache angerufen?«
    Den Köder auswerfen

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