Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
im Valley vorbei, einem Friedhof, auf dem bereits vor neunzig Jahren keine neuen Gräber erschlossen worden waren. Es gab dort massenweise Ponsonby-Gräber, manche davon erheblich älter als das älteste Bild an der Küchenwand der Ponsonbys. Der jüngste Gedenkstein war der von Ida Ponsonby, gestorben im November 1963. Vor ihr war Morton Ponsonby im Oktober 1939 gestorben. Und vor ihm Leonard Ponsonby im Januar 1930. Drei Tragödien, die die Ponsonbys offenbar lieber für sich behielten. Was aber auch für die Smiths galt, dachte er, als er Nancys Grab fand.
Was, fragte er sich, als er wieder im Auto saß, würde Chuck Ponsonby ohne das Hug tun? Und ohne die Hinweise des Professors zur Forschung? Würde er sich als Allgemeinmediziner niederlassen? Nein, Charles Ponsonby war dafür nicht der Richtige. Viel zu unnahbar, zu nüchtern und elitär. Es wäre sogar durchaus denkbar, dachte Carmine, dass sich für Chuck überhaupt kein passender medizinischer Job mehr fand, und wenn dem so war, dann könnte er keinen Grund besitzen, das Hug zu vernichten.
Carmine betrat Patricks Büro und ließ sich auf den Sessel fallen, der in einer Ecke stand.
»Wie läuft’s?«, fragte Patrick.
»Weißt du, was ich im Moment wirklich vertragen könnte, Patsy?«
»Nein, was denn?«
»Eine nette Schießerei auf dem Parkplatz der Chubb Bowl, vorzugsweise mit Maschinengewehren. Oder ahnungslos mitten in eine Gruppe von zehn Ganoven schlendern, die gerade die Holloman First National überfallen.«
»Ich vermute, bei der Zeichnung, die Jill Menzies nach der Beschreibung dieser Frau von Tinker Bell angefertigt hat, ist nichts herausgekommen?«
»Absolut nichts.« Carmine richtete sich auf. »Patsy, wo du ja bereits zehn Jahre länger auf unserer Erde wandelst als ich, erinnerst du dich an einen Mord vor dem Bahnhof im Jahr 1930? Drei Menschen wurden von einer Bande Hobos totgeschlagen. Ich frage, weil einer von ihnen der Vater von Charles und Claire Ponsonby war. Und als wäre das nicht genug, stellte sich heraus, dass er bei dem großen Börsenkrach das gesamte Geld der Familie verloren hatte.«
Patrick dachte nach und schüttelte dann den Kopf. »Nein, ich erinnere mich nicht daran, aber irgendwo im Archiv müsstedazu eine Fallakte vergraben liegen. Du kennst Silvestri – er würde nicht mal ein benutztes Kleenex wegwerfen, seine Vorgänger waren keinen Deut besser.«
»Eigentlich hatte ich ja jemanden zur Caterby Street schicken wollen, um noch eine andere Akte heranholen zu lassen, aber eigentlich könnte ich selber rüberspazieren. Ich bin richtig neugierig, was die Ponsonby-Tragödien betrifft. Könnten sie ebenfalls Opfer der Gespenster sein?«
Akten zu archivieren war der Alptraum eines jeden Beamten, seien es nun Polizeiakten, medizinische Akten, Rentenunterlagen, Akten zu Grundwert und Grundsteuer, Wasserpreise, Unterlagen zu hundert verschiedenen Kategorien. Als das Holloman Hospital 1950 umgebaut wurde, war ein ganzes Kellergeschoss für das Archiv reserviert worden. Der Commissioner im Jahre 1960, John Silvestri, hatte erbittert darum gekämpft, jedes Fitzelchen Papier aufzubewahren, das die Polizei hatte, zurück bis zu der Zeit, als Holloman einen einzigen Constable gehabt hatte und der Diebstahl eines Pferdes ein Delikt gewesen war, auf das der Galgen stand. Dann ging eine lokale Betonfirma pleite, und Silvestri bedrängte die Verwaltung um Geld und die Vollmacht, die Immobilie zu kaufen, drei Morgen Land an der Caterby Street. Die drei Morgen und alles darauf gingen für 12.000 $ in die Versteigerung, und die Polizei von Holloman war der erfolgreiche Bieter.
Auf dem Land stand ein riesiges Lagerhaus, in das alle Polizeiarchive auf Stahlregale geräumt worden waren. Das Dach war dicht, und zwei große Ventilatoren unter dem Dach garantierten ausreichende Luftzirkulation, um im Sommer Schimmel zu verhindern.
Die beiden Archivare führten ein bequemes Leben in einem Wohnwagen neben dem Lagerhauseingang; der schlecht bezahlte Assistent schob gelegentlich einen Besen über denBoden des Lagerhauses und besorgte Kaffee und Kuchen, während die eigentliche Archivarin an einer Doktorarbeit über die Entwicklung krimineller Tendenzen in Holloman seit 1650 schrieb. Beide waren auch nicht im Entferntesten an diesem Lieutenant Carmine interessiert, der seltsam genug war, persönlich in die Caterby Street zu kommen. Die Archivarin sagte ihm einfach, wo er etwa suchen musste, und widmete sich dann wieder ihrer
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