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Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord

Titel: Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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er
das
Gespenst. Macht er doch alles allein? Wie viel Hilfe bekommt er von Claire? Wie viel Hilfe kann sie ihm überhaupt geben? Kann ein Ponsonby ein Gespenst sein und der andere nicht? Ja, wegen Claires Blindheit. Ich
weiß
, dass sie blind ist. Chuck konnte in einem geheimen, schalldichten Keller auf und ab gehen, und sie würde niemals davon erfahren. Ich bin absolut sicher, dass er schalldicht isoliert ist. Die Schreie dürfen nicht nach außen dringen.
    Charles Ponsonby … Ein Junggeselle und Stubenhocker, der nicht einmal dann originelle Forschung betreiben kann, wenn es um sein Leben ginge. Steht immer im Schatten von jemand anderem – die verrückte Mutter, der verrückte Bruder, die blinde Schwester, viel erfolgreichere beste Freunde. Schert sich nicht um zueinanderpassende Socken, achtet auf gekämmtes Haar, kauft eine neue Tweedjacke. Ein zerstreuter Professor, wie er im Buche steht, zu ängstlich, eine Ratte hochzunehmen, wenn er nicht einen Schutzhandschuh trägt, unscheinbar auf eine Art, die auf eine massive Persönlichkeitsstörung verweist, trotz der Fassade intellektuellen Snobismus.
    Aber kann dieser Charles Ponsonby ein mehrfacher Vergewaltiger und Mörder sein, der so brillant ist, dass er uns regelrecht vorführt, seit wir entdeckt haben, dass es ihn überhaupt gibt? Das Problem ist, dass niemand ein genaues Bild eines mehrfachen Mörders hat, außer dass Sex immer eine Rolle zu spielen scheint. Aus diesem Grunde müssen wir ihn jedes Mal exakt analysieren. Sein Alter, seine Rasse, sein Glaubensbekenntnis, sein Erscheinungsbild, der Opfertyp, den er wählt, die Persönlichkeit, die er der Welt präsentiert, seine Kindheit, seine Vorgeschichte, Vorlieben und Abneigungen – Tausende und Abertausende Faktoren. Über Charles Ponsonby können wir mit Sicherheit sagen, dass es mütterlicherseits Fälle von Irrsinn und Blindheit gab.
    Carmine legte den Inhalt der Beweismittelschachtel wieder genau so zurück, wie er ihn vorgefunden hatte, und ging dann hinunter in die Wache.
    »Larry, bring das hier bitte sofort in die Sicherheitsaufbewahrung«, sagte er und gab den Karton ab. »
Niemand
darf auch nur in die Nähe des Kartons.«
    Bevor Larry etwas erwidern konnte, war Carmine auch schon durch die Tür. Es war Zeit, noch einmal in der Ponsonby Lane Nummer 6 vorbeizusehen.
    Die Fragen rasten durch seinen Kopf, schwärmende Wespen auf der Suche nach dem Nest, das »Antworten« hieß: Wie, zum Beispiel, hatte Charles Ponsonby es geschafft, vom Hug zur Travis High und zurück zu kommen, während er alle davon überzeugte, dass er sich in einer Besprechung auf dem Dach befunden hatte? Dreißig kostbare Minuten, bevor Desdemona ihn und die anderen dort fand, und doch schworen alle sechs auf dem Dach, dass niemand lange genug fort gewesen war, um auf das Klo zu gehen. Wie zuverlässig war die Aufmerksamkeitsspanne eines zerstreuten Forschers? Und wie war Ponsonby in der Nacht aus seinem Haus gekommen, als Faith Khouri geschnappt wurde, wo es doch unter strenger Beobachtung gestanden hatte? Stellte der Inhalt der Beweismittelkiste aus dem Jahre 1930 genug hartes Beweismaterial dar, um von Richter Douglas Thwaites einen Durchsuchungsbefehl zu erhalten?
    Carmine kam die Route 133 von Nordosten herunter, was ihn zuerst zur Deer Lane führte. Nach Ansicht des Gemeinderats hatten die vier Häuser am Ende der Straße keine Asphaltdecke gerechtfertigt; die 500 Meter der Deer Lane waren mit Schotter ausgestreut. An ihrem Ende weitete sie sich aus zu einem kreisförmigen Flecken, der ausreichend Parkraum für sechs oder sieben Autos bot. Auf allen Seiten reichte der Waldbis zur Straße. Vor zweihundert Jahren war diese Gegend gelichtet und bewirtschaftet worden, doch als die fruchtbareren Böden von Ohio und dem Westen lockten, war die Landwirtschaft für Connecticut Yankees schon bald nicht mehr so profitabel wie die feinmechanischen Industrien mit ihren Fließbändern, die von Eli Whitney entwickelt und eingeführt worden waren. Also war der Wald üppig nachgewachsen – Eiche, Ahorn, Buche, Birke, Platane, ein paar Kiefern. Hartriegel und Lorbeerrose blühten im Frühjahr. Wilde Apfelbäume. Und auch das Rotwild war zurückgekehrt.
    Seine Reifen knirschten über den Schotter, was seine Meinung bestärkte, dass die Polizisten, die in der Nacht von Faith Khouris Verschwinden die Deer Lane an ihrer Einmündung in die 133 überwacht hatten, ein Fahrzeug sowohl gehört als auch die weißen Wolken aus seinem Auspuff

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