Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
plädieren.«
»Das ist so klar wie Kloßbrühe. Aber wenn jemand unzurechnungsfähig ist, plant er nicht eine Hinrichtungsstätte bis ins kleinste Detail.«
»Und Claire?«
»Die sagt immer wieder, sie weigere sich einfach, zu glauben, dass ihr Bruder ein mehrfacher Mörder ist, und dass sie selbst nichts Unrechtes getan habe.«
»Sofern Patsy und sein Team keine Spur von Claire am Tatort oder im Tunnel finden, wird sie als freier Mensch gehen. Ich meine, eine blinde Frau leert mit ihrem Blindenhund einen Eimer Laub im Wildgehege aus und harkt anschließend alles hübsch ordentlich? Jeder halbwegs kompetente Rechtsanwalt könnte beweisen, dass sie glaubte, sie trüge Futter für das Wild zum Ausleeren dorthin, wo Bruder Chuck ihnen zuvor eine Futterstelle angelegt hatte. Natürlich können wir immer noch auf ein Geständnis hoffen.«
»Im Leben nicht!«, sagte Silvestri schnaubend. »Von den beidenwird garantiert keiner irgendwas gestehen!« Er schloss ein Auge, behielt das andere offen und fixierte damit Carmine. »Glauben
Sie
denn, dass sie das zweite Gespenst ist?«
»Ganz ehrlich, John? Ich weiß es nicht. Wir werden es nicht beweisen können.«
»Auf jeden Fall wird um neun Uhr in Zweifler Dougs Gerichtssaal offiziell Anklage gegen sie erhoben. Mir wäre es lieber gewesen, wenn es an einem weniger öffentlichen Ort und in aller Stille stattgefunden hätte, aber Doug lässt nicht locker. Ponsonbys einziges Kleidungsstück ist ein Regenmantel, und er weigert sich, auch nur einen Fetzen mehr anzuziehen. Wenn wir ihn zwingen und er bekommt eine winzig kleine Schürfwunde, dann schreien sie wieder, die Polizei sei so brutal, also geht er eben im Regenmantel vors Gericht. Danny hat ihm dummerweise schon die Handschellen zu eng angelegt. Dieser reizende Scheißkerl hat sich daran wundgerieben.«
»Ich vermute, jeder Journalist, der es rechtzeitig nach Holloman schafft, wird um neun vor dem Gerichtsgebäude stehen, einschließlich der Moderatoren von Channel Six«, sagte Carmine mit einem Seufzer.
»Warum auch nicht? Das sind gigantische Nachrichten für so eine kleine Stadt.«
»Könnten wir Claire nicht separat anklagen?«
»Wir könnten, wenn Thwaites mitspielen würde, aber das wird er nicht. Er will beide zur selben Zeit vor sich sehen. Neugierde vermutlich.«
»Nein, er will einen Blick auf Claire werfen, um sich ein Bild über ihre Komplizenschaft zu machen.«
»Haben Sie schon gegessen, Carmine?«
»Nein.«
»Dann lassen Sie uns bei Malvolio’s einen Happen essen, bevor der Trubel beginnt.«
»Wie geht’s Abe und Corey? Sind sie entstunken?«
»Ja, und sie grollen vor sich hin. Sie wollten gemeinsam mit Ihnen in den Keller.«
»Das tut mir leid, aber sie mussten erst einmal das Zeug abwaschen. Ich schlage vor, Sie leiern dem Gouverneur noch ein paar Orden aus den Rippen, John.«
Das Gerichtsgebäude von Holloman lag in der Cedar Street am Green, nur wenige Schritte entfernt vom County Services Building, aber dennoch zu weit, die Ponsonbys zu Fuß hinübergehen zu lassen. Ein paar unternehmungslustige Journalisten standen gemeinsam mit ihren Fotografen vor dem Polizeigebäude, als Ponsonby mit einem Handtuch über dem Kopf herausgeschoben wurde. Der Regenmantel war von oben bis zu den Knien zugeknöpft, wo ihn jemand mit einer Sicherheitsnadel zugesteckt hatte, damit ihn niemand aufreißen konnte. Kaum war Ponsonby auf dem Bürgersteig, begann er, mit seiner Eskorte zu ringen, allerdings nicht, um zu fliehen, sondern um das Handtuch loszuwerden. Letztendlich wurde er unverhüllt und in einem Blitzlichtgewitter in den vergitterten Fond des Streifenwagens gesteckt. Als sein Wagen losgefahren war, kam Biddy heraus, die Claire führte. Wie schon ihr Bruder, erlaubte sie es niemandem, ihren Kopf zu verhüllen. Ihre Eskorte war verdächtig vorsichtig mit ihr, und der Wagen, der sie den Block hinunter zum Gericht fuhr, war Silvstris Dienstwagen, ein großer Lincoln.
Die Menschenmenge um das Gerichtsgebäude war so groß, dass der Verkehr komplett aus der Cedar Street umgeleitet wurde; eine Reihe von Polizisten bewegte sich in Wogen mit der schiebenden Menge, die sie eindämmen sollten. Ungefähr die Hälfte der Menschen war farbig, aber beide Gruppen waren zornig. Die Presse stand innerhalb der Absperrung, Kameramänner mit ihren Kameras auf der Schulter, Zeitungsfotografen,deren Automatikverschlüsse in einer Tour klickten, Radioreporter, die ununterbrochen in ihre Mikrofone brabbelten, und der
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