Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
Mein Bruder war ein hoch intellektueller, penibler und unglaublich freundlicher Mann. Dieser Bauer Marciano hat mich beschuldigt, seine Liebhaberin gewesen zu sein – pah!«
»Wir müssen alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen. Aber Sie können gehen, Miss Ponsonby. Alle Anklagepunkte gegen Sie sind fallengelassen worden.«
»Das würde ich wohl meinen.« Sie zog an der Schlaufe von Biddys Gestell.
»Wo werden Sie wohnen? Ihr Haus ist immer noch ein Tatort unter polizeilicher Durchsuchung und wird das wohl auch noch eine Weile bleiben. Möchten Sie, dass ich Mrs Eliza Smith anrufe?«
»Ganz sicher nicht!«, schnauzte sie. »Wenn diese Frau nicht getratscht hätte, wäre nichts von allem passiert. Ich hoffe, sie stirbt an Zungenkrebs!«
»Wohin werden Sie dann gehen?«
»Ich ziehe ins Major Minor, bis ich zurück in mein Haus kann. Ich habe die Absicht, Anwälte zu engagieren, die meine Interessen als Eigentümerin der Ponsonby Lane 6 wahren. Deswegen rate ich Ihnen, nichts zu beschädigen. In diesem Haus ist kein Verbrechen begangen worden.«
Und damit rauschte sie aus dem Zimmer. Der Gewinner bekommt alles, Carmine. Gespenst oder nicht, was für eine Frau!
Silvestri hatte seinen Lincoln zur Verfügung gestellt, um Claire zu Major Minor zu fahren. Carmine fuhr allein zurück zu dem Haus, in dem angeblich kein Verbrechen begangen worden war. Sie kamen jetzt zu dem traurigsten Abschnitt in jedem Kriminalfall – dem schalen, wenig reizvollen Nachspiel.
Die Neuigkeit, dass das Monster von Connecticut gefasst worden war, war für die Nachrichten schon ein alter Hut, als die Letzten an ihrem Arbeitsplatz im Hug eintrafen. Alle Gesichter sahen entspannter und jünger aus, und alle Augen leuchteten. Was für eine Erleichterung! Vielleicht konnte das Hug jetzt zur Normalität zurückkehren, da das Monster ganz offensichtlich kein Hugger war.
Desdemona hatte Carmine seit der Rückkehr von ihrer Wanderung nicht mehr gesehen. Aber als sie mit ihrer Eskorte im Streifenwagen das Haus Richtung Hug verlassen wollte, klingelte das Telefon: Carmine, der seltsam emotionslos klang.
»Wenn ich mich recht erinnere, gibt es einen Fernseher im Sitzungszimmer des Hug«, sagte er. »Schalte ihn ein und schau Channel Six, okay?« Schon hatte er wieder aufgelegt.
Niedergeschlagen, weil er so unpersönlich gewirkt hatte, schloss Desdemona den Sitzungssaal auf und schaltete den Fernseher an, gerade als die Wanduhr 9:00 Uhr zeigte. Ach, sie wollte das überhaupt nicht sehen! Als ob die Festnahme des Monsters nicht schon im Streifenwagen das Thema gewesen wäre! Jetzt würde sie sehen, auf was Carmine bei den nächtlichen Unternehmungen aus gewesen war, und davor hatte sie Angst. Wahrscheinlich war er unverletzt, aber seit drei Nächten war sie von der Sorge und Angst förmlich aufgefressen worden. Was würde sie tun, wenn er nie mehr nach Hause käme? Ach, was in aller Welt hatte sie dazu getrieben, ihre Unabhängigkeit dadurch zu erklären, dass sie das Wochenende, bevor seine Gespenster-Wache begann, wandern ging? Warum war ihrnicht klar gewesen, dass er Sonntagabend nicht nach Hause kommen würde? Als sie durch die zauberhaften Wälder ging, hatten sich all ihre Hoffnungen daran geklammert: wie sie ihre Arme um ihn schlingen und ihm sagen würde, dass sie nicht mehr ohne ihn leben könnte. Aber – kein Carmine.
Der Fernseher erwachte flackernd zum Leben. Ja, da war das Gerichtsgebäude, vor dem sich mehrere Hundert Menschen drängten, überall waren Journalisten und Polizei. Ein Kameramann hatte augenscheinlich einen Platz auf dem Dach eines Lieferwagens gefunden und konnte so die ganze Szene einfangen. Ein weiterer befand sich in der Menge und ein dritter auf dem Bürgersteig in der Nähe eines ankommenden Streifenwagens. Sie entdeckte Carmine, der neben dem großen uniformierten Captain stand, der Danny Marciano hieß. Commissioner Silvestri stand am Eingang des Gerichtsgebäudes und sah sehr schick aus in seiner Uniform mit den silbern glänzenden Zierbändern. Dann stieg Dr. Charles Ponsonby aus dem Fond des Streifenwagens aus. Ihr Herz schien sich zusammenzuziehen. Bei allen heiligen Geistern,
Charles Ponsonby
! Ein Hugger. Bob Smiths ältester und bester Freund. Ich bin Zeugin des Untergangs des Hug, dachte sie. Ob die Parson-Direktoren in New York City das jetzt auch sehen? Ja, natürlich! Haben die Parsons wohl schon die Ausstiegsklausel entdeckt? Wenn nicht, dann werden sie nach diesem Paukenschlag ihre Bemühungen
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