Ein kalter Mord - McCullough, C: Ein kalter Mord
sah sie noch nicht perfekt aus, also hat er die Stelle mit Ölfarbe abgedeckt, um sie perfekt zu machen. Mann, Patsy, da haben wir’s aber mit einem schrägen Typen zu tun!«
»Ja«, bestätigte Patrick knapp.
»Also ist er Chirurg?«, fragte Marciano nach und schob Silvestris Aschenbecher samt Inhalt weit von sich weg.
»Nicht unbedingt«, kam von Carmine. »Gestern sprach ich mit einer Lady, die an den Versuchstieren im Hug mikrochirurgisch arbeitet. Sie hat kein medizinisches Studium absolviert. Wahrscheinlich gibt es in jedem großen Forschungszentrum wie der medizinischen Fakultät des Chubb Dutzende von Laboranten, die genauso gut operieren können wie jeder Chirurg. Übrigens habe ich bis zu dem Punkt, an dem uns Patsy erklärt hat, wie der Kerl das blutende Muttermal verödet hat, auch noch Metzger und Schlachter in meine Überlegungen einbezogen. Die kann ich jetzt wohl ruhigen Gewissens ausschließen.«
»Aber Sie glauben, dass das Hug involviert ist?«, fragte Silvestri, er nahm seine ekelerregende Zigarre in die Hand und lutschte daran.
»Das tue ich.«
»Und was jetzt?«
Carmine stand auf und nickte Corey und Abe zu. »Wir nehmen uns die Vermisstenfälle vor. Wahrscheinlich im gesamten Bundesstaat. Hier in Holloman haben wir keine vermissten Personen in den Akten, es sei denn, er hatte sie schon viel länger, als er brauchte, um ihr all das anzutun. Weil wir nicht wissen, wie das Opfer aussah, werden wir uns auf das Muttermal konzentrieren.«
Patrick begleitete Carmine hinaus. »Das hier wirst du nicht auf die Schnelle lösen«, sagte er. »Dieser Bastard hat nichts zurückgelassen, womit du weitermachen könntest.«
»Als wenn ich das nicht wüsste. Wenn dieser Affe in dem Eisschrank nicht aufgewacht wäre, wüssten wir ja noch nicht mal, dass ein Verbrechen begangen worden ist.«
Als bei den Vermisstenmeldungen in Holloman nichts herauskam, begann Carmine herumzutelefonieren und die anderen Polizeibehörden des Bundesstaates anzurufen. Die State Police hatte in unmittelbarer Nähe des Appalachian Trail die Leiche eines zehnjährigen Mädchens gefunden – ein großes Mischlingskind, das von seinen zeltenden Eltern als vermisst gemeldet worden war. Doch sie war an Herzstillstand gestorben, und es gab keinerlei verdächtige Todesumstände.
Die Polizei in Norwalk hatte die Vermisstenmeldung eines sechzehnjährigen Mädchens dominikanischer Herkunft namens Mercedes Alvarez, das vor zehn Tagen verschwunden war.
»Einsfünfzig, lockige, aber keine krausen dunklen Haare, dunkelbraune Augen – ein wirklich hübsches Gesicht – eine vollentwickelte Figur«, sagte jemand, der sich als Lieutenant Joe Brown gemeldet hatte. »Oh, und ein großes, herzförmiges Muttermal auf ihrer rechten Pobacke.«
»Geh nicht weg, Joe, ich bin in einer halben Stunde da.«
Carmine packte das Blaulicht auf das Dach seines Ford und steuerte den Wagen die I-95 runter, mit heulender Sirene. Er brauchte etwas mehr als zwanzig Minuten für die vierzig Meilen.
Lieutenant Joe Brown war ungefähr in seinem Alter, in den frühen Vierzigern. Er war nervös, so wie auch die anderen Polizisten in der Nähe. Carmine betrachtete das Farbfoto in den Akten und suchte nach dem Hinweis auf das Muttermal, das eine ungeübte Hand skizziert hatte.
»Das ist unser Mädchen, ganz klar«, sagte er. »Mann, ist die hübsch. Erzähl mir alles, was du weißt, Joe.«
»Sie ist eine Schülerin an der St. Martha’s Highschool – gute Noten, kein Ärger, keine Jungsgeschichten. Es ist eine dominikanischeFamilie, die seit zwanzig Jahren hier in Norwalk lebt – der Vater arbeitet an der Mautstelle einer Schnellstraße, die Mutter ist Hausfrau. Sechs Kinder – zwei Jungs, vier Mädchen. Mercedes ist – war – die Älteste. Der Jüngste ist drei. Sie leben in einer ruhigen Gegend und kümmern sich um ihre eigenen Angelegenheiten.«
»Hat irgendjemand gesehen, wie Mercedes entführt wurde?«, fragte Carmine.
»Nein, niemand. Wir haben uns schon den Arsch aufgerissen, um sie zu finden, denn –« er hielt inne und sah besorgt aus – »sie ist innerhalb von zwei Monaten das zweite Mädchen, das vermisst wird. Beide waren im zweiten Studienjahr an der St. Martha’s, in derselben Klasse, befreundet, aber keine Busenfreundinnen. Mercedes hatte nach der Schule Klavierunterricht und sollte eigentlich gegen halb fünf zu Hause sein. Als sie um sechs noch nicht da war und die Nonnen sagten, sie sei definitiv rechtzeitig losgegangen, rief Mrs
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