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Ein kalter Strom

Ein kalter Strom

Titel: Ein kalter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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der Schule war, eine Affäre geleistet hatte, brachte er das perfekte Argument, er sei Hartmuts hauptsächliche Bezugsperson und wolle diese Rolle weiter einnehmen. Es wäre nicht so schlimm gewesen, hätte er dies aus Liebe zu dem Jungen getan. Aber sie hatte den Verdacht, dass es ihm mehr darum ging, einen letzten Rest von Macht über sie auszuüben.
    Deshalb fuhr sie lieber nicht nach Hause, bevor sie unbedingt musste. Sie arbeitete bis spät, nahm am kulturellen Leben der Stadt teil, besuchte Freunde und verbrachte Zeit in der Wohnung ihres Liebhabers. Es war jedoch mehr als der Wunsch, nicht nach Hause zu fahren, der sie an diesem Tag ins Bremer Stadtzentrum führte. Sie genoss es immer, im Schnoor durch die schmalen, kopfsteingepflasterten Gassen zu bummeln, eine Enklave mittelalterlicher, schön hergerichteter Fischerhäuser, und die Antiquitäten in den Schaufenstern zu bewundern, obwohl sie die Preise unerschwinglich fand. Während die Universität, ihr Arbeitsplatz, und der Vorort, wo sie wohnte, dem Auge wenig ästhetische Genüsse boten, war die Altstadt eine schöne Entschädigung dafür.
    Sie sah auf ihre Uhr. Zwei Stunden hatte sie noch Zeit, bevor sie den Journalisten des neuen Internetmagazins treffen sollte. Die Unternehmung hörte sich interessant an, und es schadete nie, eine andere Plattform für seine Arbeit zu finden, vor allem da heutzutage die berufliche Tüchtigkeit nicht mehr danach bemessen wurde, wie gut man seine Studenten lehrte. Margarethe ging durch den Schnoor und bog in eine der Gassen ein, die an die breite Weser mit dem schlammbraunen, rauschenden Frühjahrshochwasser führte. Ein paar Minuten ging sie am Fluss entlang, dann bog sie in die merkwürdigste Straße der Stadt, die Böttcherstraße, ein, die ganz verschiedene Elemente von Jugendstil und reiner Phantasie in sich vereinte, ein Produkt der Kreativität von Künstlern und Architekten der Stadt aus den zwanziger Jahren, das vom Erfinder des koffeinfreien Kaffees finanziert wurde. Es amüsierte Margarethe immer, wenn sie daran dachte, welch lebendige Vielfalt aus einem so blutleeren Produkt entstanden war.
    Am Ende der Straße bog sie links ab und ging auf ihr Lieblingslokal im Stadtkern, den Kleinen Ratskeller, zu. Zwei Gläser Bremer Weiße und ein dampfender Teller mit herzhaftem Knipp konnten ihr wieder Kraft für alles geben, was ihr der Journalist beim Interview an Fragen vorlegen würde.
    Die anderen Gäste, die sie sahen, hatten keine Ahnung, dass sie am nächsten Morgen Zeugen in einem Mordfall sein würden.

Kapitel 17
    S eine Hände bedienten geschickt die Hebel des kleinen Krans, der seinen Golf vom Achterdeck der
Wilhelmina Rosen
hob. Dies war der Moment, in dem er von einem Leben ins andere wechselte und sich schließlich vom Besitzer eines schönen Rheinschiffs in einen gnadenlosen Hinrichtungsvollstrecker verwandelte. Heute Abend würde er wieder sternhagelvoll sein und seinen jüngsten Sieg zwischen den Schenkeln eines Bremer Weibsstücks feiern. Er verschränkte die Arme über der breiten Brust und umfasste seine Schultern. Wenn sie doch wüssten, was sie in sich aufnahmen, wenn sie die Beine für ihn breit machten! Er war derjenige, der Licht in die Finsternis brachte. Er hatte die Dunkelheit in seinem Inneren in etwas verwandelt, das wie ein Juwel glühte und diese Helligkeit jetzt auf die düsteren Geheimnisse der Vergangenheit fallen ließ, so dass alle Welt sie sehen konnte.
    Es würde nicht lange dauern, bis jemand von der Polizei darauf kam, dass all seine Opfer ihren egoistischen Zielen zuliebe Menschen in Laborratten verwandelt hatten. War diese Verbindung erst einmal erkannt worden, war der nächste Schritt unvermeidlich. Polizeibüros haben immer undichte Stellen. Es würde überall in der Presse erscheinen. Sobald die Allgemeinheit von den Verbrechen erfuhr, die im Namen der Wissenschaft begangen wurden, würden die Manipulationen der menschlichen Seele aufhören müssen. Es würde einen öffentlichen Aufschrei geben, und alles würde sich ändern müssen. Erst dann würde er aufhören.
    Es würde ihm nichts ausmachen, aufzuhören, weil seine Arbeit dann getan war. Er war kein Killer, weil er den Nervenkitzel liebte, keiner, dem das Morden Spaß machte. Es stimmte, dass seine Rache endlich die dunklen Wolken in seinem Gemüt aufgelöst und ihm erlaubt hatte, seinen Platz in der Welt als richtiger Mann einzunehmen, aber das war nur ein zufälliger, glücklicher Nebeneffekt. Wenn er aufhörte,

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