Ein Kampf um Rom
haben unsere Ahnen die Amaler erhöht? Weil sie das edelste, das älteste,
Göttern entstammte Geschlecht waren. Wohlan, das erste Gestirn ist erloschen, gedenkt des zweiten, gedenkt der Balten!«
Von den Balten lebte nur Ein männlicher Sproß, ein noch nicht wehrhafter Enkel des Herzogs Pitza – denn Alarich, der Bruder
der Herzöge Thulun und Ibba, war seit langen Jahren geächtet und verschollen.– Arahad rechnete sicher, man werde jenen Baltenknaben
nicht wählen und vielmehr des dritten Gestirns gedenken. Aber er irrte. Der alte Haduswinth trat zornig vor und schrie:
»Was Adel! was Geschlecht! sind wir Adelsknechte oder freie Männer? Beim Donner! werden wir Ahnen zählen, wenn Belisar im
Lande steht? Ich will dir sagen, Knabe, was ein König braucht. Einen tapferern Arm, das ist wahr, aber nicht das allein. Der
König soll ein Hort des Rechts, ein Schirm des Friedens sein, nicht nur der Vorkämpfer im Schwertkampf. Der König soll haben
einen immer ruhigen, immer klaren Sinn, wie der blaue Himmel ist, und wie die lichten Sterne sollen darin auf- und niedergehen
gerechte Gedanken. Der König soll haben eine stete Kraft, aber noch mehr ein stetes Maß: er soll nie sich selbst verlieren
und vergessen in Haß und Liebe, wie wir wohl dürfen, wir unten im Volk. Er soll nicht nur mild sein den Freunden, er soll
gerecht sein dem Verhaßtesten, selbst dem Feind. In dessen Brust ein klarer Friede wohnt bei kühnem Mut und edles Maß bei
treuer Kraft,– der Mann, Arahad, ist königlich geartet, und hätt’ ihn der letzte Bauer gezeugt.«
Lauter Beifall folgte dem Wort des Alten, und beschämt trat Arahad zurück. Aber jener fuhr fort: »Gute Goten! ich meine, wir
haben einen solchen Mann! Ich will ihn euch nicht nennen: nennt ihr ihn mir. Ich kam hierher aus fernem Hochgebirg aus unsrer
Mark gegen die Karantanen, wo der wilde Turbidus schäumend die Felsen zerstäubt. Da leb’ ich mehr, als sonst ein Menschenalter
ist, stolz, frei, einsam. Wenig erfahr’ ich von der Menschen Händeln, selbst von des eignen Volkes Taten, wenn nicht ein Salzroß
des halbverirrten Weges kommt. Und doch drang mir bis in jene öde Höhe der Waffenruhm Eines vor allen unsern Helden, der nie
das Schwert zu ungerechtem Streit erhob und es noch niemals sieglos eingesteckt. Seinen Namen hört’ich immer wieder, wenn
ich fragte: ›Wer wird uns schirmen, wenn Theoderich schied?‹ Seinen Namen hört’ ich bei jedem Sieg, den wir erfochten, bei
jedem weisen Werke des Friedens, das geschehn. Ich hatt’ihn nie gesehen. Ich sehnte mich danach, ihn zu sehen. Heute hab’ich
ihn gesehen und gehört. Ich habe sein Aug’ gesehen, das klar und milde wie die Sonne. Ich hab’sein Wort gehört; ich hab’gehört,
wie er dem Feind selbst, dem verhaßten, zu Recht und zu Gerechtigkeit verhalf. Ich hab’gehört, wie er allein, da uns alle
der blinde Haß fortriß mit dunkler Schwinge, klar blieb und ruhig und gerecht. Da dacht’ ich mir in meinem alten Herzen: ›Der
Mann ist königlich geartet, stark im Kampf und gerecht im Frieden, hart wie Stahl und klar wie Gold.‹ Goten: der Mann soll
unser König sein. Nennt mir den Mann!«
»Graf Witichis, ja Witichis, heil König Witichis!«
Während dieser brausende Jubelruf durch das Gefilde hallte, hatte ein erschütternder Schreck den bescheidnen Mann ergriffen,
der gespannt der Rede des Alten gefolgt war und erst ganz zu Ende von der Ahnung ergriffen ward, daß er der so Gepriesne sei.
Als er nun aber seinen Namen in diesem tausendstimmigen Jauchzen erschallen hörte, überkam ihn vor allen andern Gedanken das
Gefühl:
»Nein, das kann, das soll nicht sein.«
Er riß sich von Teja und Hildebad, die freudig seine Hände drückten, los, und sprang hervor, das Haupt schüttelnd und, wie
abwehrend, den Arm ausstreckend.
»Nein!« rief er, »nein, Freunde! nicht das mir! Ich bin ein schlichter Kriegsmann, nicht ein König. Ich bin vielleicht ein
gutes Werkzeug, kein Werkmeister! Wählt einen andern, einen Würdigern!«
Und wie bittend streckt er beide Hände gegen das Volk. Aber der donnernde Ruf: »Heil König Witichis!« ward ihm statt aller
Antwort. Und nun trat der alte Hildebrand vor, faßte seine Hand und sprach laut:
»Laß ab, Witichis! wer war es, der zuerst geschworen, unweigerlich den König anzuerkennen, der auch nur eine Stimme mehr hätte?
Siehe, du hast alle Stimmen und willst dich wehren?«
Aber Witichis schüttelte das
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