Ein Kampf um Rom
nach der bezeichneten Ecke hin und erstaunte: denn
auf dem Zaune saß oder über denselben herein stieg eine seltsame Gestalt. Es war ein großer, alter, hagrer Mann in grobem
Wams von ganz rauhem Loden, wie ihn dieBerghirten trugen: als Mantel hing eine mächtige Wolfsschur unverarbeitet von seinen Schultern nieder, und in der Rechten
trug er einen riesigen Bergstock mit scharfer Stahlspitze, mit welchem er die Hunde abwehrte, die zornig an dem Zaun hinaufsprangen.
Eilends lief der Knabe hinzu.
»Halt, du landfremder Mann, was tust du auf meinem Zaun? – willst du gleich hinaus und herab?«
Der Alte stutzte und sah forschend auf den schönen Knaben.
»Herunter, sag’ ich!« wiederholte dieser.
»Begrüßt man so in diesem Hof den wegmüden Wandrer?«
»Ja, wenn der wegmüde Wandrer über den Hinterzaun steigt. Bist du was Rechtes und willst du was Rechtes,– da vorn steht das
große Hoftor sperrangelweit offen: da komm herein.« »Das weiß ich selbst, wenn ich das wollte.«
Und er machte Anstalt, in den Hof hereinzusteigen.
»Halt«, rief zornig der Kleine, »da kommst du nicht herab! Faß, Griffo! Faß, Wulfo! Und wenn du die zwei jungen nicht scheust,
so ruf ’ ich die Alte! Dann gib acht! He Thursa, Thursa, leid’s nicht!«
Auf diesen Ruf schoß um die Ecke des Roßstalles ein riesiger, grauborstiger Wolfshund mit wütendem Gebell herbei und schien
ohne weiteres dem Eindringling an die Gurgel springen zu wollen. Aber kaum stand das grimmige Tier vor dem Zaun, dem Alten
gegenüber, so verwandelte sich seine Wut plötzlich in Freude: sein Bellen verstummte, und wedelnd sprang er an dem Alten hinan,
der nun ganz gemütlich hereinstieg.
»Ja, Thursa, treues Tier, wir halten noch zusammen«, sagte er, »nun sage mir, kleiner Mann, wie heißt du?«
»Athalwin heiß’ ich«, versetzte dieser, scheu zurücktretend, »du aber,– ich glaube, du hast den Hund behext – wie heißt du?«
»Ich heiße wie du«, sagte der Alte freundlicher. »Und das ist hübsch von dir, daß du heißest wie ich. Sei nur ruhig, ich bin
kein Räuber! führ mich zu deiner Mutter, daß ich ihr sage, wie tapfer du deine Hofwehre verteidigt hast.«
Und so schritten die beiden Gegner friedlich in die Halle,Thursa bellte freudig springend voran. Das korinthische Atrium der Römervilla mit seinen Säulenreihen an den vier Wänden hatte
die gotische Hausfrau mit leichter Änderung in die große Halle des germanischen Hofbaues verwandelt. In Abwesenheit des Hausherrn
war sie zu festlicher Bewirtung nicht bestimmt, und Rauthgundis hatte für diese Zeit ihre Mägde aus der Frauenkammer hierherversetzt.
In langer Reihe saßen rechts die gotischen Mägde mit sausender Spule; ihnen gegenüber einige römische Sklavinnen, mit feineren
Arbeiten beschäftigt.
In der Mitte der Halle schritt Rauthgundis auf und nieder und ließ selbst die flinke Spule auf dem glatten Mosaik des Estrichs
tanzen, aber dabei auch nach rechts und links stets die wachen Blicke gleiten. Das kornblaue Kleid von selbstgewirktem Stoff
war über die Knie heraufgeschürzt und hing gebauscht über den Gurt von stählernen Ringen, welcher, ihr einziger Schmuck, ein
Bündel von Schlüsseln trug. Das dunkelblonde Haar war rings an Stirn und Schläfen zurückgekämmt und am Hinterkopf in einen
einfachen Knoten geschürzt. Es lag viel schlichte Würde in der Gestalt, wie sie mit ernst prüfendem Blick auf und nieder schritt.
Sie trat zu der jüngsten der gotischen Mägde, die zuunterst in der Reihe saß, und beugte sich zu ihr.
»Brav, Liuta«, sprach sie, »dein Faden ist glatt, und du hast heut nicht so oft aufgesehen nach der Tür wie sonst. Freilich«,
fügte sie lächelnd hinzu – »es ist jetzt kein Verdienst, da doch kein Wachis zur Tür hereinkommen kann.«
Die junge Magd errötete. Rauthgundis legte die Hand auf ihr glattes Haar:
»Ich weiß«, sagte sie, »du hast mir im stillen gegrollt, daß ich dich, die Verlobte, dieses Jahr über täglich morgens und
abends eine Stunde länger spinnen ließ als die andern: es war grausam, nicht? Nun, sieh: es war dein eigner Gewinn. Alles,
was du dies Jahr aus meinem besten Garn gesponnen, ist dein; ich schenk’ es dir zur Aussteuer: so brauchst du nächstes Jahr,
das erste deiner Ehe, nicht zu spinnen.«
Das Mädchen faßte ihre Hand und sah ihr dankbar weinend ins Auge.
»Und dich nennen sie streng und hart!« war alles, was sie sagen konnte.
»Mild mit den Guten, streng
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