Ein Kampf um Rom
und Gesippen so, Bruder! Wir kennen doch ihre Namen alle.‹«
Und nun hatten sie die Stallungen erreicht, die Tiere hineingetrieben und sich vor der Türe des Wohnhauses, vor dem offnen
Fenster, auf die Holzbank gesetzt, welche die Vorderseite des Hauses auf beiden Seiten der Haustüre umzog.
»Da ist«, zählte das Mädchen nachdenkend auf, »Iffamer, unser Vater, Wargs, der Ohm, den der Berg verschüttet hat, Iffa, der
Ahn, Iffamuth, der andre Ohm, Iffaswinth, dessen Sohn, unser Vetter, und Iffarich, der Großahn, und wieder Iffa – aber kein
Alarich.«
»Und doch ist mir noch wie ein Dämmertraum aus der Zeit, da ich zuerst auf dem Berg umherzulaufen anfing, aus der Zeit vor
dem großen Bergfall, der den starken Oheim Wargs begrub, als hätte ich den Namen oft gehört. Und er gefällt mir. Und der Ahn
hat mir erzählt von einem Heldenkönig dieses Namens, der zuerst vor allen Helden die Romaburg bezwang:– du weißt: die Stadt,
von welcher unser Vater und der Oheim Iffamuth und der Vetter Iffaswinth nicht wiedergekehrt sind,– und der dann früh verstarb,
wie Siegfrid, der Schlangentöter, und Balthar, der Heidengott. Und sein Grab ist in einem tiefen Fluß. Da liegt er, auf goldnem
Schild, unter seinen Schätzen: und hohes Schilf wogt darüber hin. Und nun hat sich ein andrer König aufgetan, derheißt Totila, wie die Heermänner, welche die Besatzung drüben in Schloß Teriolis ablösten, erzählten. Der soll sein wie jener
Alarich und wie Siegfrid und wie der lichte Sonnengott. Und ich, hat der Ahn gesagt, soll auch ein Kriegsmann werden: und
einst hinabziehn zu König Totila und unter die Feinde stürmen mit dem Ruf ›Alarich, Alarich!‹ Und es ist mir auch schon lange
verleidet, dies Umhersteigen hier auf dem Berg und das Ziegenhüten, wo kein Feind zu bekämpfen ist als der Wolf und höchstens
ein Bär, der die Trauben und die Honigwaben benascht. Und ihr alle lobt mein Harfenschlagen und meine Lieder. Aber ich spüre,
daß es damit nicht viel ist, und daß ich von dem Alten nichts mehr darin lernen kann. Und ich möchte doch noch viel stolzre
Weisen singen. Und ich kann gar nicht genug erzählen hören von den Heermännern drüben in der Burg von den Siegen des Sonnenkönigs
Totila. Neulich hab’ ich dem alten Hunibad, den der König zur Pflege seiner Wunden hieher in die Ruhe geschickt hat, den schönsten
Berghirsch geschenkt, den ich erlegt, dafür, daß er mir die Schlacht an der Padusbrücke zum dritten Mal erzählt. Und wie König
Totila selbst den finstern Höllenkönig, den schrecklichen Cethegus, überwindet. Und ich habe schon ein Harfenlied davon gedichtet,
das hebt an:
›Zittre und zage,
Zäher Cethegus:
Nicht taugt dir die Tücke:
Teja, der Tapfre,
Zertrümmert den Trotz dir:
Und taghell emportaucht,
Wie Maiglanz und Morgen
Aus Nacht und aus Nebel,
Der leuchtende Liebling
Des Himmelsherrn:
Der schimmernd schöne,
Der kühne König.‹
Aber weiter geht es noch nicht. Und ich kann auch nicht allein weiterdichten. Ich brauche einen kundigen Meister für Wort
und Harfe. Und auf den Speerschwinger Teja, den sie den schwarzen Grafen nennen, und der wunderbar die Harfeschlagen soll, möcht’ ich auch ein halbfertiges Lied vollenden. Und ich wäre schon lang – aber das sag’ ich nur dir – davongegangen,
ohne den Ahn zu fragen, der immer noch sagt: ich bin zu jung. Wenn mich Eins nicht hier hielte.«
Und er sprang hastig auf.
»Was denn? Bruder«, fragte Gotho, ruhig sitzenbleibend und ihn aus ihren großen hellblauen Augen voll ansehend.
»Ja, wenn du’s nicht weißt«,– sprach er fast zornig, »sagen kann ich’s dir nicht. Ich muß hinüber und neue Pfeilspitzen schmieden
in der Schmiedhütte. Gib mir noch einen Kuß, so! Und nun laß dir noch einen auf jedes Auge legen! Und einen auf das lichte
Haar! Fahr wohl, lieb Schwesterlein, bis zum Nachtmahl.«
Und er eilte hinweg von ihr, nach einem Nebengebäude, vor dessen Tür ein Schleifstein und allerlei Arbeitsgerät stand. Gotho
stützte die Wange auf die Hand und sah vor sich hin, dann sagte sie laut:
»Ich kann’s nicht raten. Denn mich würd’ er ja mitnehmen, natürlich. Wir könnten ja gar nicht leben ohne einander.«
Sie stand mit einem leichten Seufzer auf und wandte sich dem Wiesgrund neben dem Hause zu, nach dem Linnen zu sehen, das dort
zur Bleiche lag. Aber im Wohnhaus hinter dem offnen Fenster erhob sich jetzt der alte Iffa. Er hatte alles mit
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