Ein Kampf um Rom
erführen, was die Rolle da weiß. Zumal vor den Welschen birg die Rolle. Und frage in
jeder Stadt, wo du einziehst, ob sie berge Cornelius Cethegus Cäsarius, den Präfecten von Rom. Und sagen die Torwächter ja,–
dann wende dich auf dem Absatz und, wie müde du bist und so spät schon die Nachtstunde oder so glühheiß der Mittag,– wandre
davon, bis du drei Wasser zwischen dir hast und dem Mann Cethegus. Und nicht minder als dies Geschreibsel – du siehst, ich
drückte statt des Siegels Baumharz darauf, wie es aus den Tannen träuft, und unsere Hausmarke ritzt’ ich drein, wie sie unser
Vieh und Fahrnis trägt – nicht minder wahre dies – dies alte, teure Gold.«
Und er langte aus dem Hohlraum die Hälfte eines breitenGoldreifs, wie sie die Gotenhelden um die nackten Arme trugen. Ehrfurchtsvoll küßte er das Gold und die unvollständige Runenschrift
darauf.
»Das stammt noch von Theoderich, dem großen König, und von ihm – meinem teueren – Sohne Wargs. Merke:– das gehört Adalgoth.
Und ist sein allerbestes Erbe. Die andre Hälfte des Ringes – und des Spruches darauf – hab’ ich dem Knaben mitgegeben, da
ich ihn fortgesandt. Und hat der König das Geschreibsel gelesen, und ist Adalgoth in der Nähe – wie er sein muß, wenn er meine
Gebote befolgt – dann rufe du Adalgoth herbei, und füget Halbring an Halbring und heischet des Königs Spruch. Er soll klug
und klar und mild und alldurchschauend sein, wie der Sonnenschein. Er wird den rechten Spruch finden. Findet er ihn nicht,
dann findet ihn Keiner. Nun lege mir noch einen Kuß auf jedes meiner sehemüden Augen. Und nun gehe bald zum Frühschlaf. Und
der Himmelfürst und alle seine lichten Augen, Sonne, Mond und Sterne, mögen schauen auf deinen Weg. Und hast du Adalgoth gefunden,
und lebst du mit ihm in den kleinen Gemächern der dumpfen Häuser, in den engen Städtestraßen, und wird es euch dort unten
zu klein und zu dumpf und zu eng,– dann denkt an eure Kindertage hier auf dem hohen Iffing. Und es wird euch anwehn wie frische
Bergluft.«
Schweigend, ohne Widerrede, ohne Furcht, ohne Frage hörte und gehorchte das Hirtenkind. »Fahr wohl, Großvater!« sagte sie,
ihn auf die Augen küssend. »Dank für viel Lieb’ und Treue.«
Aber sie weinte nicht. Sie wußte nicht, was Sterben ist. Und sie trat von ihm weg auf die Schwelle des Sennhauses: und sie
blickte hinaus in die nun tiefernst gewordne Berglandschaft. Klar war der Himmel, die Gipfel der Berge ringsum glänzten im
Mondlicht.
»Lebt wohl«, sprach sie, »du Iffinger! und du, Wolfshaupt! Und du, alter Riesenkopf! Und du da drunten, hell aufschimmernde
Passara! Wißt ihr’s schon? Morgen gehe ich von euch allen. Aber ich gehe gern. Denn ich gehe zu ihm!«
Fünftes Kapitel
Und nach vielen Wochen kamen Cassiodor und Julius zurück von Byzanz und brachten – keinen Frieden. Cassiodor ging sogleich
nach der Landung zu Brundusium, welt- und wegemüde, in sein apulisch Kloster, Julius allein die Berichterstattung an den König
in Rom überlassend. Totila empfing ihn auf dem Capitol, im Beisein der ersten Heerführer.
»Anfangs«, erzählte dieser, »waren die Aussichten günstig genug. Der Kaiser, welcher früher gotische Gesandte von Witichis
gar nicht vor sein Angesicht gelassen, konnte dem größten Gelehrten des Abendlandes, konnte Cassiodors Weisheit, Frömmigkeit
und Milde seinen Palast nicht verschließen. Wir wurden ehrenvoll und freundlich empfangen. Gewichtige Stimmen, so Tribonianus
und Prokopius, sprachen für den Frieden im Rate des Imperators, der selbst dazu geneigt schien. Seine beiden großen Feldherrn,
Narses und Belisar, beschäftigten zugleich an verschiedenen Punkten der stets bedrohten Ostgrenze des Reichs die Kämpfe mit
Persern und mit Saracenen. Die Unternehmungen in Italien und Dalmatien aber hatten so große Opfer gekostet, und so lange Zeit
gewährt, daß dem Kaiser der Gotenkrieg verleidet war.
Zwar gab er den Gedanken der Wiedergewinnung Italiens wohl schwerlich ganz auf. Aber er erkannte die Unmöglichkeit der Durchführung
für die nächste Zukunft. Er ging daher gern auf die Friedensverhandlungen ein und nahm unsere Vorschläge zur Erwägung entgegen:
ihm schwebte zunächst freilich noch, wie er uns sagte, eine vorläufige Teilung der Halbinsel bis an den Padus vor: das weitaus
größte Stück des Landes im Süden dieses Flusses sollte dem Kaiser, das Gebiet im Norden den Goten
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