Ein Kampf um Rom
rätselhaften Brief:
›Anicius, dem Sohne meines Patronus,
Corbulo, der Freigelassne –‹«
»Corbulo? ich kenne den Namen.«
»Der Freigelassne meines Vaters, bei welchem meine Mutter und Schwester Zuflucht gefunden, und der –«
»Mit deinem Bruder vor Rom gefallen ist.«
»Ja: aber er starb erst im gotischen Lager, wohin er, selbst schwerverwundet, mit meinem sterbenden Bruder aus dem Dorf ad
aras Bacchi, gefangen, gebracht wurde. So erzählt mir ein mitgefangner armenischer Söldner Belisars, Sutas, der mir den Brief
überbrachte, welchen Corbulo nicht mehr vollenden konnte. Lies selbst.«
Und Cethegus nahm das kleine Wachstäfelchen mit den kaum leserlichen Zügen und las:
»›Das letzte Wort, das Vermächtnis deines sterbenden Bruders war: Anicius soll nun rächen die Mutter, die Schwester, mich:
uns alle hat derselbe Dämon unseres Hauses – –‹ Hier endet leider der Brief«, sagte Cethegus, die Tafel zurückgebend.
»Ja, dem treuen Corbulo vergingen die Sinne, und er erwachte nicht mehr aus seiner Ohnmacht, sagt der Söldner.«
»Damit ist nicht viel zu machen«, meinte achselzuckend Cethegus.
»Gewiß, aber der Söldner Sutas hörte noch ein Wort meines sterbenden Bruders zu Corbulo – sie lagen in Einem Zelte –: das
kann ein Schlüssel werden.«
»Nun?« fragte Cethegus, teilnehmend gespannt.
»Severinus sagte: ›Ich ahn’ es. Er wußte von diesem Hinterhalt – Er hat uns in den Tod geschickt.‹«
»Wer?« fragte Cethegus ruhig.
»Ja, das eben fragt sich.«
»Du hast keine Ahnung?«
»Nein: aber es kann nicht unmöglich sein, den Gemeinten zu entdecken.«
»Wie willst du das anfangen?«
»In den Tod geschickt« – das kann nur einen Anführer, einen Feldherrn meinen, der meinen Bruder veranlaßte, an jenem Morgenritt
Belisars aus dem tiburtinischen Tor sich zu beteiligen. Denn Severinus gehörte damals nicht zu dem Gefolge Belisars. Er war
Tribun deiner Legionäre. Es muß gelingen, wenn du, Belisar, Prokop ernstlich nachspüren, den zu ermitteln, der ihn veranlaßte.
Denn er ging nicht etwa auf deinen Befehl mit andern Legionären – keiner deiner Legionäre und Reiter war sonst dabei.«
»Das ist richtig«, sagte Cethegus, »soviel ich mich entsinne.«
»Nein, nicht Einer. Prokop – leider ist er nun verreist, Bauwerke Justinians in Asien kennenzulernen – war ja selbst dabei:
oft zählte er mir die Namen aller auf. Wenn er wiederkehrt, werde ich sorgfältig forschen, mit wem etwa mein Bruder vor dem
Ausfall zuletzt verkehrt, in wessen Haus oder Zelt er war: –ich werde nicht ruhen und rasten –: ich werde Severins noch lebende Kameraden befragen, wo sie ihn zuletzt, vor dem Ausritt,
gesehn.«
»Du bist scharfsinnig für deine Jahre«, sagte der Präfect mit seltsamem Lächeln. »Wenn solche Klugheit erst zu Reife kommt!
Aber freilich: du lebst in guter Schule für die Schlauheit. Weiß die Kaiserin von deinem Rätselbrief?«
»Nein: und sie soll nie davon erfahren. Nenne mir ihren Namen nicht! Diese Rachepflicht sendet mir Gott als letzten Mahnruf,
mich von ihr zu reißen.«
»Aber sie sendet dich zu mir?«
»In einer andern Sache,– die aber sehr gegen ihre Meinung enden soll. Vor kurzem ließ sie mich heute rufen: noch einmal fragte
sie mich lächelnd, ob es denn gar so schwer im goldigsten Käfig auszuhalten sei? Mich aber ekelt des Weibes. Und mich reut
schmerzlich der Monate, die ich bei ihr verloren, indes mein Bruder für das Vaterland gefochten und gefallen. Ich gab ihr
so herbe Antwort, daß ich einen Sturm des Zorns erwartete. Aber zu meinem Staunen blieb sie ganz ruhig und sprach lächelnd:
›Nun es sei: keine Treue dauert. Gehe hin zu Antonina oder zur Tugend oder zu beiden Göttinnen. Aber zum letzten Zeichen meiner
Gunst will ich dich retten vor sichrem Verderben. Es besteht in Byzanz eine Verschwörung römischer und griechischer Jünglinge
gegen Justinians Leben oder Freiheit. Sie wollen ihn zwingen zum Gotenkrieg und zu Belisars Ernennung zum Feldherrn. Still,
ich weiß es. Ich weiß auch, daß man dich schon halb gewonnen, daß du zwar noch keine der Versammlungen besucht, aber die Dokumente
der Verschwörung verwahrst. Ich habe sie gewähren lassen, weil einige alte Übelgönner von mir darunter sind, welche ich sicher
diesmal zu verderben hoffe. In einigen Tagen ziehe ich das Netz zusammen. Du aber sollst gewarnt und gerettet sein. Geh zum
Präfecten: er soll dich unter der Schar seiner
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