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Ein Kelch voll Wind

Ein Kelch voll Wind

Titel: Ein Kelch voll Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Körper miteinander verschmelzen lassen.
    Minuten später ließ einer von uns beiden vom anderen ab– ich weiß nicht mehr, wer. Ich trank einen Schluck und war sprachlos, nervös und sehr, sehr angetörnt. Ich warf ihm einen unsicheren Blick zu, und er sah genauso aus, wie ich mich fühlte.
    »W as hast du genommen?«, fragte ich und nickte in Richtung seines Drinks.
    »S even-Up«, sagte er und fischte die Maraschinokirsche mit seinen langen, eleganten Fingern aus dem Glas. Er hielt sie mir hin und ich schnappte zu. Ich liebte die eingezuckerte, hypersüße Geschmacksexplosion in meinem Mund. Als ich wieder sprechen konnte, sagte ich: »S o, so, ja klar, das Mädchen betrunken machen und selbst alles unter Kontrolle behalten wollen.« Ehrlich gesagt erschien mir eine solche Situation nicht gerade erstrebenswert. Ich meine, ich war quasi blind vor Verlangen nach André, aber zumindest hatte ich sonst noch so ein oder zwei Sinne beisammen.
    André warf mir ein schiefes Lächeln zu und ich unterdrückte ein unfreiwilliges Winseln. »A lso erstens«, sagte er sanft in seinem leichten Akzent, »d enke ich nicht, dass du betrunken sein musst, und zweitens trinke ich nichts, weil ich sowieso schon längst die Kontrolle verloren hatte.«
    Okay, ich war verliebt. Und zwar so richtig kitschig verliebt: Ich war vollkommen, total und zu hundert Prozent glücklich, hier in diesem plumpen Sofa in dieser überfüllten Bar mit ihm zu sitzen, meinen Drink zu schlürfen und einfach nur in seine dunkelblauen Augen zu starren. Ich sehnte mich nach nichts weiter, brauchte nichts weiter und wollte nirgendwo anders hingehen. Ich hätte bis in alle Ewigkeiten hier sitzen und mich an seinem Anblick erfreuen können.
    Nachdenklich sah ich ihn an und strich mit dem Finger über den Rand meines Glases. »N ein, ich müsste nicht betrunken sein«, stimmte ich unsicher zu. Ich lehnte mich in dem Sofa zurück und legte meine Beine in seinen Schoß. Durch die schwarze Jeans fühlten meine nackten Füße die Wärme, die von seiner Hüfte ausging, und ich presste sie versuchsweise dagegen. Er war muskulös.
    »E rzähl mir etwas über dich«, sagte ich und warf mein Haar zurück. Ich spielte mit dem Strohhalm in meinem Glas und lächelte. »W o warst du mein ganzes Leben lang?«
    Er lächelte ebenfalls, offensichtlich hatte er meine schmalzige Anspielung auf die Beatles verstanden. Doch trotz allem erinnerte ich mich an Raceys Bedenken und ich schuldete es ihr– und auch mir–, ein bisschen mehr über ihn herauszufinden, bevor wir, sagen wir mal, heirateten.
    »A ndré wie?«, soufflierte ich, als er nicht antwortete. »G ehst du noch zur Schule? Und wo wohnst du?«
    »A ndré Martin«, erwiderte er und sprach seinen Nachnamen französisch aus: Mar-tääh. Ich blinzelte. »I ch habe ein Jahr mit der Uni ausgesetzt, um hier in der Anwaltskanzlei meines Onkels zu arbeiten. Als juristische Hilfskraft. Ich habe ein eigenes Apartment hier im Viertel.« Seine warmen Hände glitten unter meine Jeans und massierten meine Knöchel. Mein Gehirn fühlte sich matschig an, aber vielleicht lag das auch daran, dass ich inzwischen den ganzen Margarita runtergekippt hatte. »N icht weit von hier«, bot er unverschämt grinsend an. Ich stellte mein Glas auf den kleinen Tisch neben dem Sofa.
    »A ndré Martin?«, fragte ich, um sicherzugehen.
    »J a.«
    Mir war, als würde ich sein Gesicht schon ein ganzes Leben lang kennen.
    »W ie seltsam«, sagte ich.
    »N a ja, nicht viele Leute in Frankreich haben die Möglichkeit, bei ihren Verwandten Berufserfahrungen zu sammeln«, sagte André, während er meine Füße weiter bearbeitete. Jeden einzelnen, grün lackierten Zeh.
    »N ein, ich meine deinen Namen«, sagte ich und fühlte mich zusehends benommen. »S o heiße ich auch. Clio Martin. Ist das nicht komisch?«
    Er blickte amüsiert drein, dann dachte er darüber nach. »M artin kommt nicht so selten vor«, stellte er fest. »U nd hier in New Orleans werden viele Namen französisch ausgesprochen.«
    Was natürlich stimmte. Letztes Jahr hatten wir in Biologie einen Lehrer von hoch oben aus dem Norden gehabt, der Mr Herbert geheißen hatte. »H ör-bört.« Am Ende des ersten Monats war er es derart müde geworden, jeden zu verbessern, der seinen Namen wie »E r-ber« aussprach, dass er es fortan einfach dabei belassen hatte. Es gab wirklich jede Menge solcher Namen.
    »J a, da hast du recht«, sagte ich. »E s kam mir nur irgendwie lustig vor… denselben Nachnamen

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