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Ein Kelch voll Wind

Ein Kelch voll Wind

Titel: Ein Kelch voll Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Lernen und Üben die einzigen Mittel, um dorthin zu gelangen. Und der einzige Weg, um vernünftig zu üben, ist, sich nicht die Sinne zu benebeln. Du kannst eine starke oder eine schwache Hexe sein. Das liegt bei dir.«
    Ich hasste es, wenn ich ins Gebet genommen wurde. Es war total peinlich, ich fühlte mich schrecklich dabei und vor allem hatte Nan immer recht.
    »A ber es ist Sommer«, sagte ich und hasste den weinerlichen, kindischen Klang meiner Worte. »I ch will Spaß haben.«
    »I n Ordnung, hab Spaß«, antwortete sie. »A ber im November wirst du achtzehn. Und ich sage dir gleich, du bist nicht mal annähernd bereit für deinen Aufstiegsritus.«
    Mit einem Schlag hatte sie meine volle, ungeteilte Aufmerksamkeit. »W as, wirklich? Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist.«
    Sie nickte und wirkte traurig, weise und älter als gewöhnlich. »E s ist so schlimm, Liebes. Wenn du dich so richtig auf den Hintern setzt, könntest du vielleicht bestehen. Oder du könntest ein Jahr warten, bis du neunzehn wirst.«
    »J a klar, ich glaub’s auch«, zischte ich und dachte an all die anderen, die ihren Aufstiegsritus schon mit achtzehn bestanden hatten. Noch nie war jemand durchgefallen und hatte den Ritus mit neunzehn wiederholen müssen. Darüber würde ich nie hinwegkommen. Ich würde meiner Großmutter Schande bereiten, die als eine der besten Lehrerinnen galt. Ich würde als totaler Loser dastehen, obwohl ich die anderen eigentlich so was von hätte beeindrucken müssen. Verdammt noch mal! Alles, was ich wollte, war André. Ich wollte nicht lernen, ich wollte nicht üben und ich wollte vor allem nicht aufhören, mir so cooles Zeug wie Margaritas reinzuziehen.
    »E s ist nur… Manchmal ist Lernen eben ein bisschen langweilig«, sagte ich vorsichtig. »M ir ist viel mehr nach Blitzen und Funken und der großen Magie, verstehst du?« Ich streckte meine Arme aus, um ihr »g roße Magie« zu demonstrieren.
    Nan sah mich scharf an. »G roße Magie ist gefährlich«, meinte sie. »A uch wenn sie für gute Zwecke eingesetzt wird. Denk dran, alles, was eine Vorderseite hat, hat auch eine Rückseite. Und je größer das eine, desto größer ist auch das andere.«
    Ich nickte und dachte insgeheim: Was auch immer das heißen mag.
    »O kay, ich werde versuchen, fleißiger zu lernen.«
    Nan stand auf und wischte sich die Hände an ihrer altmodischen Schürze ab.
    »W ie ich schon sagte, es hängt von dir…« Sie verstummte und ihre Hände schienen in der Bewegung zu erstarren, während sie sich in alle Richtungen umschaute. Sie blickte hoch in den Himmel, wo die alltäglichen Nachmittagswolken aufzogen, die Straße hinunter, auf die andere Seite der Straße, auf unser Haus und schließlich auf den Hof.
    »W as ist los?«, fragte ich und erhob mich ebenfalls.
    Nan musterte mich, als wäre sie überrascht, mich zu sehen. Als müsse sie ganz im Ernst überlegen, wer ich war. Es war unheimlich, und ich fragte mich einen Moment lang, ob sie vielleicht gerade einen Schlaganfall oder irgend so etwas erlitten hatte.
    »W as ist los?«, fragte ich erneut. »N an, ist alles in Ordnung? Lass uns ins Haus gehen– ich hol dir eine kalte Limonade, okay?«
    Sie blinzelte und blickte sich noch einmal um.
    »N ein, mir geht es gut, Liebes. Es ist nur… Ein Sturm zieht auf.«
    »D er zieht im Sommer jeden Nachmittag auf«, sagte ich, während ich sie weiter sanft zu den Stufen vor der Eingangstür bugsierte. »J eden Tag. Ein Sturm, so gegen drei Uhr. Aber sie sind auch immer schnell vorbei.«
    »N ein«, sagte sie. »N ein.« Ihre Stimme klang fester und schon wieder mehr nach ihr selbst. »K ein Gewittersturm. Ich meine einen gewaltigeren Sturm, einen, der…« Sie verstummte erneut und blickte gedankenverloren auf die Erde.
    »E in Hurrikan?«, fragte ich, um Verständnis bemüht. Nan machte mir wirklich Angst.
    Sie antwortete nicht.

Kapitel 8
    Thais
    Ich blickte mich um und seufzte. Na wunderbar. Einer von diesen Träumen. Genau was ich jetzt brauchte.
    Ich hatte mein ganzes Leben lang unglaublich realistisch, mit allen Sinnen und in den schönsten Technicolor-Farben geträumt. Ich hatte versucht, Dad davon zu erzählen, und obwohl er sehr mitfühlend gewesen war, hatte er doch nicht wirklich verstehen können, wovon ich redete. Natürlich hatte ich diese Träume nicht jede Nacht. Aber in, sagen wir, 65 Prozent der Fälle. Ich fühlte Hitze und Kälte, konnte Dinge riechen, schmecken und ihre Konsistenz in meinem Mund spüren.
    Einmal,

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