Ein Kelch voll Wind
zu haben.« Ich ließ meinen Kopf gegen die Sofalehne fallen– mit einem Mal fühlte er sich furchtbar schwer an. Ich ächzte angesichts der Heftigkeit, mit der André meine Beine massierte. Er lachte und schwang sie über die Seite nach unten, was mich unweigerlich neben ihm aufrichtete. Er legte seine Arme um mich und küsste mich erneut.
Ab dann war alles ein bisschen verschwommen. Ich weiß noch, dass er mich aufforderte, mit zu ihm nach Hause zu kommen, und– o Wunder aller Wunder– ich ablehnte. Schließlich konnte ich es ihm nicht zu einfach machen. Und dann weiß ich noch, dass wir uns wieder küssten und rummachten und uns so fest in den Armen hielten, dass sich irgendwann der Abdruck seines Hemdknopfs auf meinem Top abzeichnete, was wir beide ungeheuer witzig fanden.
Ich weiß, dass ich nach einem weiteren Margarita verlangte und stattdessen ein Seven-Up in die Hand gedrückt bekam, was mich noch verliebter machte. Ich konnte ihm vertrauen.
Und ich weiß, dass er mich, als wir uns endlich voneinander verabschiedeten, zu meinem Auto begleitete und sicherstellte, dass ich nüchtern genug war, um zu fahren. Was ich ganz ehrlich auch war– vor allem nach meinem Auflösungszauber, den ich anwendete, sobald ich hinter dem Steuer saß. Der nächtliche Alkohol würde meine magischen Fähigkeiten morgen beeinträchtigen, aber jetzt gerade pulsierte sehr mächtig Magie durch meine Venen. Dass der Margarita gar nicht mehr wirkte, war schade, aber ich wusste auch: Wenn ich betrunken Auto fuhr und mich selbst killte, würde meine Großmutter mich höchstpersönlich aus dem Totenreich herauszerren, um mich gleich noch mal umzubringen.
Ich rollte mein Fenster herunter. Der Motor meines verbeulten, kleinen Toyota Camry brummte.
»I ch hatte einen schönen Abend«, sagte ich. Ein Mega-Understatement.
Er strich mir mit den Fingern über die Wangen, wobei sein Daumen kurz auf meinem Muttermal verweilte. »I ch auch«, erwiderte er ernst. Dann lehnte er sich in das Auto und küsste mich lange und heftig. »I st es okay, wenn ich dich anrufe?« Ich hatte ihm meine Handynummer gegeben.
»J a«, sagte ich und übertraf mein erstes Understatement noch um Längen.
»F ahr vorsichtig«, sagte er und sein Blick gab mir das Gefühl, dass wir schon jetzt auf ewig miteinander verbunden waren. Ich nickte, setzte das Auto in Bewegung und fuhr aus der Parklücke. Bis ich um die Ecke bog, sah ich ihn im Rückspiegel.
Same des Lebens, ich nähre dich
Ich gebe dir Raum zum Wachsen
Ich gebe dir Freunde zum Wachsen
Sonne und Regen sind nur für dich
Deine Blätter öffnen, deine Knospen zeigen sich
Denn schließlich, ich bin der Gartenschmied.
Ich war zu schlau, als dass ich die Augen verdreht hätte oder ungeduldig geworden wäre. Wenn sie etwas pflanzte, sagte Nan immer einen ihrer kleinen Zaubersprüche auf, und natürlich war ihr Garten, ja der ganze Innenhof, über viele Blocks der allerschönste und harmonischste. Und dennoch dachte ein Teil von mir permanent: Es sind doch nur Okrapflanzen.
Mit einem leichten Lächeln im Gesicht klopfte sie die Erde um die Okrasaat fest. Sie wirkte vollkommen ruhig und gelassen. Und ich verging hier gerade. Draußen hatte es ungefähr tausend Grad und mein T-Shirt war schon feucht vor lauter Schweiß. Ich fühlte mich total ekelhaft. Wenigstens würde niemand außer Nan mich so sehen.
Sie hob ihren Blick und fixierte mich, als würde sie durch meine Augen direkt auf die Hinterseite meines Schädels starren. »D as hier ist nicht so dein Fall, was?«, fragte sie feixend.
Ich zeigte ihr meine dreckigen, eingerissenen Fingernägel und die Blase, die ich am Daumen bekam. Sie lachte laut auf.
»D anke für dein Mitleid«, grummelte ich und sie lachte erneut.
»W ie willst du denn ohne Garten eine Hexe sein?«, erwiderte sie.
»I ch stelle jemanden dafür ein«, sagte ich.
»W illst du auch jemanden einstellen, der für dich lernt?«, fragte sie ein wenig ernster. »O der vielleicht solltest du jemanden einstellen, der sich für dich betrinkt.«
Alarmiert blickte ich auf. »I ch habe mich nicht betrunken.«
Ihr Gesicht nahm einen A ch-komm-schon-Ausdruck an. »C lio– deine Magie ist sehr stark.« Sie strich mir das feuchte Haar von der Wange. »D ie von deiner Mutter war es auch. Doch sie ist gestorben, bevor sie ihre ganze Macht entfalten konnte.« Nans Augen schienen traurig und in weite Ferne gerichtet. »I ch möchte sehen, wie du zu voller Kraft gelangst. Aber leider sind
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