Ein Kelch voll Wind
der Atem, und ich hoffte inständig, dass sie Perlenstickerei oder irgendetwas in der Art betrieb.
Hexensabbate. Kräutermagie. Zaubern mit Metallen und Steinen.
Ich konnte meine Bestürzung nicht verbergen. All die Hoffnung, die in mir aufgeflammt war– mein trauriges Sehnen nach einem Zuhause, nach Normalität–, erstarb in meinem Inneren.
»I hr praktiziert Voodoo«, murmelte ich und hielt die Tränen nur mit Mühe zurück. Dann begriff ich: Petra und Clio vollführten genau dieselben Zauberkunststückchen wie Axelle und die anderen. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passierte? Wie verbreitet war das in New Orleans? Ich schluckte. Mir war plötzlich kalt. Petra und Clio waren meine einzige Familie. Konnte ich ihnen nicht vertrauen? Konnte ich sie einfach aufgeben, nichts mehr mit ihnen zu tun haben? Ich holte tief Luft. Ich würde mir anhören, was Petra zu sagen hatte. Und dann entscheiden. Alles in mir wollte, dass Petra und Clio zu mir gehörten und ich zu ihnen. Ich würde abwarten. Wenn sie irgendwie mit Axelle in Verbindung standen…
»N ein, kein Voodoo«, sagte Petra mit einem milden Lächeln. »B onne Magie. Die Gabe. Es ist ein bisschen wie Wicca, hat dieselben Wurzeln. Jetzt komm mit mir in die Küche. Wir trinken einen Tee.«
Die Küche war in einem hübschen Grün gestrichen und auf den beiden Fensterbrettern standen gesunde Grünpflanzen. Eine große, weiße Katze schlief auf ein paar Zeitungen auf dem Küchentisch. Ich war am Boden zerstört. Es war so dumm von mir gewesen, mir Hoffnungen zu machen.
»N imm den Kater vom Tisch«, sagte Petra, ging zum Schrank und holte drei Gläser heraus.
Clio nahm ihn hoch und reichte ihn an mich weiter. »D as ist Q-Tip.«
Unbeholfen hielt ich den Kater im Arm. Q-Tip öffnete seine schläfrigen, blauen Augen und sah mich an. Dann schloss er sie wieder und ließ sich schwer und schlaff in meine Arme sinken. Ich war überrascht, dass er mich so einfach akzeptierte, aber dann fiel mir ein, dass ich für ihn ja nicht wie eine Fremde aussah.
»Q -Tip ist ein großer Junge«, murmelte ich und sah mich nach einem Plätzchen um, auf dem ich ihn ablegen konnte. Schließlich setzte ich mich einfach auf einen Stuhl und rückte ihn auf meinem Schoß zurecht. Petra stellte ein großes Glas Tee vor mich hin und dann saßen wir drei zusammen. Einfach so. In einem Hexenhaus.
»E r ist taub«, sagte Clio, um das Eis zu brechen. »W ie viele weiße Katzen mit blauen Augen.«
»W ie ruft ihr denn nach ihm?« Ich bemühte mich, höflich zu sein.
Petra lächelte und plötzlich entspannte sich ihr abschreckender, streng aussehender Gesichtsausdruck. Die liebevolle Wärme, die von ihr ausging, überraschte mich. Ich blinzelte immer noch vor Verblüffung, als sie sagte: »W ir stampfen so fest auf den Boden, dassdie Vibrationen im ganzen Haus zu fühlen sind. Dann kommt er angeflitzt. Manchmal sogar von draußen, wenn er noch nah genug beim Haus ist.«
Beeindruckt blickte ich auf die große Katze. Sie schnurrte.
»L eider hat Clio bis vor ein paar Jahren immer mit den Füßen aufgestampft und Türen zugeknallt, wenn sie wütend war«, fuhr Petra trocken fort. Am anderen Ende des Tisches machte Clio ein etwas verlegenes Gesicht. »I rgendwann musste sie lernen, ihr Temperament zu zügeln, und sei es nur dem Kater zuliebe.«
»E r kam die ganze Zeit angerannt und wollte etwas zu fressen«, gab Clio zu, und ich lächelte.
»A ber warum praktiziert ihr Magie?«, platzte ich heraus. »D as wirkt so…«
»E s ist die Religion unserer Familie, Liebes«, sagte Petra, als würde sie mir erklären, weshalb wir Lutheraner waren. »W as hast du dagegen?«
Ich begriff, dass ich mich auf dünnem Eis bewegte. Trotz der Magie und trotz meiner Sorgen bezüglich Axelle wollte ich doch, dass Petra mich mochte, mich vielleicht sogar liebte. Ich konnte nicht anders. Also zuckte ich nur die Schultern und trank meinen Tee.
»I ch glaube, ich habe nie mit den Füßen aufgestampft oder eine Tür zugeknallt«, sagte ich und lenkte das Gespräch wieder auf unser voriges Thema. »D ad und ich haben nie viel gestritten.«
Als ich meinen Vater erwähnte, wurde Petras Gesicht weich. »E s tut mir sehr leid, Liebes, dass du Michel verloren hast«, sagte sie sanft. »I ch habe ihn nur ein einziges Mal getroffen, aber ich fand ihn sehr nett.«
»W enn du ihn kennengelernt hast, warum konnten wir dann nicht beide bei ihm bleiben?«, fragte ich und merkte, dass auch Clio neugierig
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