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Ein Kelch voll Wind

Ein Kelch voll Wind

Titel: Ein Kelch voll Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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sagte ich. »U nd voilà, da waren’s keine Zwillinge mehr.«
    »W usste mein Dad davon?«, fragte Thais.
    Nan schien sich unwohl zu fühlen. Sie schüttelte den Kopf und die Erinnerung ließ sie traurig aussehen. »E ure Mutter hat es natürlich gewusst. Das ist einer der Gründe, weshalb sie zu mir gekommen ist. Sie hatte Angst um euch, noch bevor ihr überhaupt auf der Welt wart. Bis zum Zeitpunkt eurer Geburt hatte sie euch vor allen verheimlicht, sogar vor mir und eurem Vater. In jener Nacht flehte sie mich an, euch in Sicherheit zu bringen. Thais, du wurdest kurz vor Mitternacht geboren und du, Clio, direkt danach. Deshalb habt ihr unterschiedliche Geburtsdaten. Als sie im Sterben lag, nahm mir Clémence das Versprechen ab, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um euch zu schützen.«
    Thais’ Augen schwammen vor Tränen und bei ihrem Anblick merkte ich, wie meine ebenfalls feucht wurden.
    Nan fuhr fort: »A ls ich herausfand, dass Michel nichts von dem zweiten Baby wusste, hatte ich keine Ahnung, was ich tun sollte. Und dann lief bei der Geburt etwas schief. Nichts hätte Clémence retten können, auch kein Krankenhaus. Es geschah alles so schnell. In der Minute, in der sie noch bei Bewusstsein war und begriff, dass sie sterben würde, bat sie mich, ihre Töchter zu retten.«
    Nan räusperte sich und trank ein wenig Tee. Thais liefen inzwischen die Tränen über die Wangen. Ich wischte mir über die Augen und versuchte, den Kloß in meiner Kehle runterzuschlucken.
    »I ch hatte keine Zeit, nachzudenken.« Nan steckte eine Strähne in ihrem Zopf fest. »M ichel hat im Zimmer nebenan gewartet. Clémence war gerade gestorben und ich musste die Polizei anrufen, das Krankenhaus.« Ich konnte mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie das für Nan gewesen sein musste.
    »U nd ich hatte diese zwei in Decken eingewickelten Kinder bei mir«, fuhr sie fort. »A lso habe ich eins versteckt und das zweite in Michels Arme gelegt. In nur einem einzigen Moment hat er ein Kind bekommen und seine Geliebte verloren. Ich habe das andere Baby oder den Zwillingsfluch nie erwähnt. Ich sagte ihm, wo er das Kleine untersuchen lassen musste, wohin sie Clémence bringen würden und welche Vorkehrungen er zu treffen hatte. Er stand vollkommen unter Schock und war untröstlich. Nie zuvor hat mir ein anderes menschliches Wesen so leidgetan wie Michel in dieser Nacht, als er seine Tochter in den Armen hielt und um seine verlorene Liebe trauerte.«
    Jetzt weinte auch ich, um die jungen Eltern, die ich nie gekannt hatte, um den Schmerz, den Nan gefühlt haben musste, den ich gefühlt haben musste, als ich in nur einer einzigen Nacht eine Mutter, einen Vater und eine Schwester verloren hatte. Und auch für Thais, die ebenfalls eine Mutter, eine Großmutter und eine Schwester verloren hatte, alles auf einen Schlag.
    »D as war in Boston«, sagte Nan. »I n nur einer Woche habe ich meine Hebammenpraxis geschlossen, um mit Clio nach New Orleans zu ziehen.« Sie legte ihre Hand auf meine. »I ch habe dir eine Geburtsurkunde ausstellen lassen. Damit hast du endgültig zu mir gehört. Und obwohl es mir das Herz gebrochen hat, habe ich Michel meine Nachsendeadresse nicht hinterlassen und seine Adresse und alles weggeworfen. Ich wollte nicht riskieren, dass irgendjemand aus unserer famille euch beide entdeckt und selbst dafür Sorge trägt, dass ihr eure zerstörerische Macht nicht ausüben werdet.«
    »A ber warum bin ich dann hier?«, fragte Thais unter Tränen. »W as ist passiert?«
    »O ffensichtlich hat jemand unser Geheimnis herausgefunden«, sagte Nan. Ein stählerner Unterton hatte sich in ihre ruhige Stimme geschlichen. »W as mich zu der Frage führt: Wie ist dein Vater gestorben und bei wem lebst du jetzt?«
    Thais blinzelte und schien sich um einen klaren Gedanken zu bemühen. »Ä hm, Dad ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen«, sagte sie schließlich und nahm sich ein Taschentuch aus der Box, die auf dem Tisch stand. »E r wurde von einem Auto erfasst, das über den Bordstein raste.« Sie runzelte die Stirn, als sei ihr gerade etwas eingefallen, doch dann verschwand der Ausdruck von ihrem Gesicht und sie fuhr fort: »I m Gerichtssaal dachte ich noch, ich würde künftig bei Mrs Thompkins leben. Sie war unsere beste Freundin und wie eine Großmutter für mich. Aber laut Dads Testament sollte ich in die Obhut einer alten Bekannten gegeben werden, von der ich noch nie etwas gehört hatte.«
    »W er ist das?«, fragte Nan, und

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