Ein Kelch voll Wind
schaffte es, mich in Momenten wie diesen zum Lachen zu bringen. »F oster.«
»M einer auch! Wir können also unsere Mitschriften austauschen. Und jetzt noch schnell ein Nachklapp: Du magst André also immer noch?«
»M ehr als das. Ich meine, er ist… alles, was ich mir wünschen könnte.« Ich schüttelte den Kopf. »E r ist perfekt für mich. Ich kann mir nicht vorstellen, je wieder mit jemand anderem zusammen sein zu wollen.«
Alarmiert riss Racey die Augen auf. So hatte sie mich noch nie sprechen gehört. Ich mich auch nicht. Ich hatte schon tonnenweise Freunde gehabt und André war der erste, dem es auch nur annähernd gelungen war, mein Herz zu berühren. Mehr als nur annähernd, er war verdammt nah dran. Dies war ein vollkommen neues Gebiet für mich. Ziemlich gefährlich.
»H m«, sagte Racey und dachte offensichtlich über meine Worte nach.
»W ie auch immer. Du und Jonah«, begann ich. »W as läuft?« Racey und Jonah hatten einen Sommerflirt gehabt und jetzt saß er in ihrem Englischkurs. Ich hörte, wie heftiger Regen gegen die Fensterläden peitschte. Den ganzen Abend lang hatte es immer wieder abwechselnd angefangen und aufgehört zu schütten.
»K önnte sein, dass ich ihn unterschätzt habe«, gab Racey zu.
Ich grinste. »E r sah ziemlich gut aus heute, nicht wahr?«
»J a.« Racey wollte gerade ausholen, als ihr Handy klingelte. »H ey, Mom. Mhm. Ja. Ja, okay. Verstanden.« Sie schaltete das Handy aus. »M orgen ist Schule«, äffte sie ihre Mutter nach. »I ch soll lieber meinen Hintern nach Hause bewegen, damit ich noch ein paar Stunden Schlaf bekomme!«
Ich lachte und fühlte mich schon viel besser. »O kay. Aber danke, Race. Du bist meine Lebensretterin.« Ich umarmte sie.
»C lio– alles wird gut.« Sie löste sich aus der Umarmung und sah mich an. »E gal, was passiert, es wird sich alles richten, und ich werde für dich da sein.« Normalerweise sagten wir einander nicht so kitschiges Zeug. Ich war gerührt.
»D anke. Und außerdem: Du hast ja Geschwister, nicht wahr?« Racey hatte zwei Schwestern, beide älter, und Trey, der gerade mal ein Jahr jünger war als wir.
»J a.« Sie runzelte die Stirn. »D ie nerven total.« Dann setzte sie eine gespielt enthusiastische Miene auf. »A ber ich bin sicher, deine Schwester ist toll!«
Ich grunzte und trat ihr im Rausgehen in den Hintern. Danke, Déesse, für meine Freunde. Es war das aufrichtigste Gebet, das ich den ganzen Tag über gesprochen hatte.
Kapitel 20
Thais
Straßenbahnen hatten keine Klimaanlagen wie Busse oder U-Bahnen. Stattdessen hatten sie Fenster, die man hoch- und runterklappen konnte. Natürlich mit Ausnahme des Fensters, neben dem ich saß, das sich nicht bewegen ließ. Ich war schon jetzt verschwitzt und klebrig und es war gerade mal acht Uhr dreißig am Morgen.
Letzte Nacht war Axelle bis beinahe zehn Uhr nicht nach Hause gekommen. Nachdem ich mich von Luc verabschiedet hatte, war ich zurückgegangen und hatte erst mal ausgiebig geduscht. Als sie hereingekommen war, hatte ich gerade in aller Ruhe am Tisch gesessen, eine mikrowellenaufgewärmte Hühnerpastete gegessen und meine Unterlagen für die Schule durchgesehen. Sie hatte mich gebeten, nach der Schule direkt nach Hause zu kommen– nun ja, so viel dazu.
Wir hatten nicht besonders viel geredet. Ich wär fast gestorben, so gerne hätte ich ihr alle möglichen Fragen entgegengekreischt. Wer war sie und warum war ich hier? Aber irgendetwas hielt mich zurück. Clio zu treffen, hatte das ganze Szenario hier noch seltsamer und beunruhigender werden lassen, und Axelle war ein großer Teil davon. Obwohl sie nicht wirklich gefährlich zu sein schien, war ich sehr viel wachsamer als zuvor. Wusste sie von Clio? Wenn sie meine Schwester kannte und mir gegenüber nie erwähnt hatte– dann gab es dafür einen Grund. Wenn ich Axelle also erzählte, dass Clio in meine Schule ging, würde sie mich dann nie wieder dort hingehen lassen? Oder wäre die Auflösung zu dieser ganzen Geschichte ganz furchtbar? Also versuchte ich einfach, mich ganz normal zu verhalten. Axelle schien abgelenkt und nicht an mir interessiert, und ich ging so bald wie möglich ins Bett.
Heute Morgen hatte sie noch geschlafen, als ich das Haus verließ.
Und nun saß ich also in der schaukelnden, klappernden Straßenbahn und lehnte mich nach vorne, um noch etwas von der warmen Brise aus dem Fenster in der Reihe vor mir abzubekommen. Auch jetzt war ich so nervös und gereizt, als könne Axelle jeden
Weitere Kostenlose Bücher