Ein Kelch voll Wind
zuwider, die ich in diesem Moment verspürte. Racey zog die Schlüssel aus ihrer Tasche und ließ sie klimpern.
André erhob sich. Ich liebte es, dass er so groß war, mindestens fünfzehn Zentimeter größer als ich. »I ch bring dich zum Auto«, sagte er und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er war angefressen, aber doch immer noch galant.
»O h nein, das geht schon«, begann Racey, doch André unterbrach sie.
»N ein. Ihr wärt vorhin beinahe ausgeraubt worden. Ich begleite euch jetzt zu eurem Auto.« Er und Racey starrten sich einen Augenblick lang wortlos an. Dann nickte Racey ungnädig und drehte sich auf dem Absatz um.
Ich lächelte André zu und legte meinen Arm um ihn, als wir durch die lärmende Bar schritten.
»M ein Held«, sagte ich und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen. Er lächelte ebenfalls und erwiderte meinen Kuss. Ich kostete jede Minute aus, die uns blieb, bevor wir das Auto von Raceys Mom erreichten.
»R uf mich an«, sagte er, als ich in den Wagen stieg. Ich nickte und küsste seine Hand, die er auf die Tür gelegt hatte.
Seine Lippen deuteten einen Kuss an. Dann drehte er sich um, lief allein die Straße entlang und verschwand in der Nacht.
Ich seufzte. »D u hattest recht, Racey. Du bist meine Rettung. Ich danke dir und verneige mich vor deinem überragenden Pflichtbewusstsein.«
»G anz recht so«, erwiderte Racey und ließ den Motor an.
Kapitel 26
Eine unerfreuliche Angelegenheit
»H ast du wirklich gedacht, du würdest damit durch kommen?« Daedalus’ Stimme war messerscharf.
»A ch, Daedalus«, sagte Petra. »N un mach nicht so ein Theater.« Sie ignorierte die Entrüstung in seinem Blick und ging zu der kleinen Bar. Sie fand eine Flasche Quellwasser, stellte sich damit vor die Balkontür und beobachtete die Leute, die unten auf der Straße vorbeigingen.
Die Luft war stickig. Stickig und feucht. Sie hatte Clio zu Hause gelassen, wo sie über ihrer Lektion »G rundlagen des Metallzaubers« saß. Letzte Nacht war sie nur zehn Minuten zu spät gekommen, aber sie hütete ein Geheimnis, dessen war sich Petra ganz sicher. Racey hatte sie zu Hause abgesetzt, also waren sie vermutlich den ganzen Abend zusammen gewesen. Petra versuchte, ihre Anspannung in den Griff zu bekommen. Sie hatte Clio verwöhnt, und dies war nun das Ergebnis. Petra hatte genug von Geheimnissen. Ihr ganzes Leben war eine Aneinanderreihung von Geheimnissen gewesen. Und nach all der Zeit hatte sie keine Ahnung, wie sie ohne sie leben sollte.
»P etra!«, erklang eine klare, ihr nur allzu bekannte Stimme.
Sie blickte auf und sah, wie Ouida mit ausgestreckten Armen auf sie zukam. Die junge Frau wirkte ein bisschen abgespannt, fand Petra. Ein wenig nervös. Na ja, dies war ja auch eine unerfreuliche Angelegenheit.
Sie umarmten sich. Wie lange mochte es wohl schon her sein, dass sie sich das letzte Mal gesehen hatten? Sicher nicht allzu lang. Petra trat einen Schritt zurück und strich ihr über die weiche, kaffeefarbene Wange. »A ls ich dich das letzte Mal gesehen habe, hast du lauter eng am Kopf anliegende Zöpfchen mit Perlen drin getragen«, sagte sie lächelnd.
Ouida tätschelte ihre kurz geschnittene Afrofrisur. »D as hier ist pflegeleichter. Aber warte nur, bis du Richard siehst.«
Petras Blick wurde scharf. »W ie geht es ihm?«
Ouida nickte nachdenklich. »G ut«, sagte sie, aber Petra bemerkte ihre Unsicherheit.
Es läutete und Jules betätigte den Türsummer. Kurz darauf kamen Sophie und Manon durch die Tür. Sophie mit ihrer hellen Haut und den großen, braunen Augen sah wie immer reizend aus. Und Manon besaß nach wie vor ihr hübsches, mädchenhaftes Äußeres, mit den weizenblonden Locken, den dunklen Augen und dem schlanken Körper, der sich gerade auf die Pubertät vorzubereiten schien.
»M eine Lieben.« Petra umarmte sie eine nach der anderen. »I mmer noch am Studieren?«, zog sie Sophie auf, die sogleich errötete und nickte.
»D ieses Mal ist es Kunstgeschichte«, sagte Manon. »A ber zu Soliver gehen wir an die Riviera– das hat sie versprochen.«
»D u siehst hübsch aus, meine Liebe«, sagte Petra mit Wärme in der Stimme. Manon und Richard hatten es von allen am schwersten, und Petra wusste, wie sehr sich die beiden wünschten, dass es anders wäre.
Manon lächelte und zuckte die Achseln. Sie lief auf das zierliche Sofa zu, setzte sich und ließ ihre zarten Füße auf den Biedermeiertisch vor ihr plumpsen. Petra sah, wie Daedalus zusammenzuckte.
»N a,
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