Ein Kelch voll Wind
des Räubers und im gleichen Moment wisperte ich einen sortilège d’attacher, einen Bannspruch. Jetzt war ich dankbar dafür, dass Nan ihn mich so lange hatte üben lassen, bis ich vor Erschöpfung geweint hatte.
Der Mann fiel zur Seite und sah vollkommen fassungslos aus. Mit einer schnellen Bewegung entwand ich ihm das Messer, ließ es außer Reichweite schlittern und in einen Gully fallen, den ich aus dem Augenwinkel gesehen hatte. Racey beugte sich über den Räuber und murmelte lautlos weitere Zaubersprüche, um zu verhindern, dass er sich bewegte.
Er begann zu brüllen, zu fluchen und uns wild zu beschimpfen, während er vergeblich gegen seine unsichtbaren Fesseln kämpfte. Nach einer weiteren Handbewegung von Racey verstummte er. Seine Augen traten vor Angst aus den Höhlen und wir vier wichen langsam zurück.
»W as hast du mit ihm gemacht, Della?«, rief Eugenie.
»V ielleicht ist er Epileptiker«, erwiderte Della erschrocken.
In diesem Moment betrat eine große, dunkle Gestalt die Gasse. Sie rannte auf uns zu.
»L auft, Leute!«, schrie ich und packte Eugenie am Arm. »E r hat einen Komplizen!« Wir drehten uns um und rannten zur belebten Royal Street am anderen Ende der Gasse. Wir waren fast da, als ich hörte, wie jemand meinen Namen rief.
»C lio! Clio, warte!«
Abrupt blieb ich stehen. »D as ist André!« Ich wirbelte herum und starrte in die dunkle Straße.
André rannte direkt an dem Räuber vorbei und schaute ihn dabei kaum an. Wir warteten am anderen Ende der Passage, sodass jeder, der in die Straße einbog, uns sehen konnte. André holte uns ein und packte mich am Arm. »B ist du okay? Ich war einen halben Block hinter euch. Hast du nicht gehört, wie ich nach dir gerufen habe?«
»N ein«, sagte ich und blickte an ihm vorbei. Der Mann, der uns überfallen hatte, lag noch immer am Boden. Sogar von hier aus konnte ich seine hilflose Wut noch fühlen. »D ieser Typ hat versucht, uns auszurauben!«
André fluchte leise und sah ärgerlich aus. Della und Eugenie hatten ihn bislang noch nie gesehen, und obwohl der Schock des Überfalls immer noch nachwirkte, schauten sie ihn beeindruckt an.
»I ch habe versucht, euch einzuholen«, sagte André. »I n die Gasse einzubiegen, war keine gute Idee.«
Ich sah einen etwas geschafften Polizisten, der die Straße auf und ab schlenderte, und rannte auf ihn zu. »Ä hm, ein Mann ist dahinten gerade umgefallen«, sagte ich und deutete in die Richtung der Gasse. »V ielleicht hatte er einen epileptischen Anfall.« Der Polizist eilte in die Gasse und griff nach seinem Walkie-Talkie. Ich überlegte kurz, ob ich ihm sagen sollte, dass der Typ versucht hatte, uns auszurauben, aber der Bannspruch würde dem Bullen so und so schon genug Schwierigkeiten machen. Abgesehen davon wollte ich keine offizielle Aussage machen oder irgendetwas erklären müssen.
»E r wird den Typ gründlich überprüfen müssen«, sagte ich in die Runde.
»S ollen wir eine Aussage machen?«, fragte Della. »W enn ich das mache und meine Eltern mir auf die Schliche kommen…«
»G eht mir genauso«, fiel Eugenie ein. »D ie werden keine Gnade kennen.«
»L asst uns hier verschwinden«, sagte ich. »D er Bulle wird sich um alles Weitere kümmern. Ich will mich einfach nur irgendwo hinsetzen.«
Bevor ich André meinen beiden Freundinnen vorstellte, waren wir schon einen halben Block gelaufen. Er lächelte ihnen zu, und ich konnte sehen, dass sein Zauber wirkte. Kein echter Zauber natürlich– nur seine eigene, ganz persönliche Anziehungskraft.
Wir kamen am Amadeo’s an, wo es nach der übermäßig beleuchteten Straße dankenswert dunkel war. Der Türsteher ließ André eintreten. Uns hingegen wollte er nach unseren Ausweisen fragen, das fühlte ich. In Gedanken schickte ich ihm ein Wir sind volljährig, mach dir keine Sorgen, und er winkte uns anstandslos, mit gelangweiltem Gesichtsausdruck durch.
»I st das ein Freund von dir?«, fragte André und nickte dem Türsteher zu. Er wusste, dass ich noch in der Highschool war.
Ich zuckte die Achseln. »S o was Ähnliches. Hey, was ist eigentlich mit dir? Wie alt bist du? Neunzehn?«
André grinste und wirkte mit einem Mal geheimnisvoll und undurchsichtig. »A lles eine Frage des Ausweises.«
Wir holten uns ein paar Drinks und gingen ins Hinterzimmer. Da heute Freitag war, würde hier bald eine Liveband spielen. Trotz des Gedränges fanden wir eine leere Couch und zogen noch ein paar zusätzliche Stühle zu uns heran. Wieder
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