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Ein Kelch voll Wind

Ein Kelch voll Wind

Titel: Ein Kelch voll Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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ist das eine Wiedervereinigung oder was?« Richards trockene Stimme durchschnitt die Luft. Petra drehte sich zu ihm um.
    »E r ist jetzt ein Goth«, merkte Ouida fröhlich an.
    Petra umarmte Richard, hielt seinen straffen Körper umschlungen und fühlte die Anspannung, die von ihm ausging. Für einen Moment stand er stocksteif da, schien sich dann jedoch gegen seinen Willen zu entspannen. Mit rauer Zärtlichkeit legte er die Arme um sie. Als sie ihm in die Augen blickte, sah sie Schmerz darin, wie gewöhnlich.
    »D u hast es vor uns geheim gehalten«, flüsterte er, sodass nur sie ihn hören konnte.
    Sie nickte traurig. »D as musste ich, Schatz. Ich…«
    »N atürlich.« Richard befreite sich aus ihrer Umarmung und schenkte sich einen Whiskey auf Eis ein. Dann trinkt er also wieder. Petra fragte sich, wie lange das wohl schon so ging.
    Sie sah sich im Raum um. »W o ist Claire? Und Marcel?« Wer fehlte sonst noch? »U nd unser Lieblingsstreuner?«, fragte sie.
    Axelle grinste und strich mit dem Finger über den Rand ihres Weinglases. »E r ist ausgegangen«, sagte sie, »u nd hundertpro gerade dabei, durch die Bars zu streunen.«
    »W ir können ohne ihn anfangen«, sagte Daedalus. »E r weiß sowieso schon über alles Bescheid. Claire und Marcel sind auf dem Weg. Petra… natürlich wissen wir von den Zwillingen. Und wir wissen, dass du uns ihre Existenz siebzehn Jahre lang verheimlicht hast. Was hast du dazu zu sagen?«
    In Wahrheit war Daedalus am meisten darüber empört, dass sie es ihm nicht erzählt hatte, was mal wieder das ganze Ausmaß seiner Arroganz offenlegte. Wenn nur er von den Mädchen gewusst hätte– da war Petra sich sicher–, hätte er es den anderen mit dem größten Vergnügen verschwiegen, sofern ihm selbst damit gedient gewesen wäre.
    »I ch tat das, was ich für das Beste hielt«, sagte Petra ruhig. »I ch habe Clémenc e’ letzten Wunsch im Sinn gehabt und den des Vaters der Zwillinge. Offen gestanden habe ich mir das alles hier nie so vorgestellt.« Sie machte eine weit ausholende Bewegung, die den ganzen Raum einzuschließen schien. »C erises Nachkommen waren immer meine Verantwortung gewesen– niemand von euch hat sich je angeboten, die Last an meiner statt zu tragen. Warum also hätte ich euch mit den beiden Waisenkindern behelligen sollen, wenn euch das alles vorher nie gekümmert hat?« Sie zuckte die Achseln. Ihre Argumentation klang überaus vernünftig.
    »A ber die Bedeutung der Zwillinge ist dir doch bestimmt klar gewesen?«, antwortete Daedalus kalt. »V or wie vielen Jahren hatten wir schon über ein mögliches Ritual nachgedacht? Ein Ritual, dem alle von uns früher oder später zugestimmt hatten.«
    »N icht alle, Daedalus«, sagte Petra. »U nd ehrlich gesagt, nachdem ich Clémence genauso wie alle anderen von Cerises Nachfahren habe verbluten sehen, war es nicht unbedingt mein erster Gedanke, die Kinder Teil deines großen Planes werden zu lassen.«
    In ihre Stimme schlich sich ein stahlharter Unterton. Wenn Daedalus versuchte, seinen Einfluss auszuweiten, würde sie ihm die Grenzen aufzeigen. »I ch stand plötzlich mit zwei mutterlosen Kindern da. Ihr Vater hatte keine Ahnung von Clémenc e’ Hintergrund oder wer ich in Wirklichkeit war. Nach ihrem Tod war er todunglücklich und kaum noch in der Lage, zu funktionieren. Er hatte das Gefühl, nur mit einem Kind zurechtzukommen, wenn überhaupt, und bat mich, für das andere zu sorgen. Wir sind über Jahre hinweg in Kontakt geblieben, doch nach und nach schrieben wir uns immer seltener. Und dann ist er umgezogen, ohne mir seine neue Adresse mitzuteilen. Ich hatte keine Ahnung, wo genau sich Thais all die Jahre über aufhielt.«
    Petra war sich darüber im Klaren, dass die anderen ihren Wortwechsel wie ein Tennismatch verfolgten. Einige würden Daedalus zustimmen, andere ihr. Doch in allererster Linie galt die Loyalität der hier anwesenden Hexen und Hexer sich selbst.
    »D as alles liegt weit zurück und die Zwillinge waren bislang sowieso nicht von allzu großer Wichtigkeit«, sagte Ouida. »D ie Frage ist vielmehr, wie soll es nun weitergehen?«
    Daedalus stellte sich vor den marmornen Kamin und nahm eine Pose ein, die Petra einstudiert und überaus theatralisch vorkam. Also wirklich, dachte er allen Ernstes, dass ihm jemand dieses Getue abkaufen würde? Hatte er nicht begriffen, dass die Jahre ihnen alle Unschuld genommen hatten? Für immer? Niemand von ihnen würde dem Leben jemals wieder unvoreingenommen

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