Ein Kelch voll Wind
fest wie nur irgend möglich an mich gedrückt hielt. Dumpf nahm ich die ersten Noten wahr, welche die Band zum Aufwärmen spielte, doch sein Herz, das hart gegen meines pochte, war das Einzige, was ich in diesem Moment wirklich registrierte. Das Blut rauschte durch meine Adern, und jede Zelle meines Körpers fühlte sich lebendiger, aufnahmebereiter und mehr auf den anderen Körper abgestimmt als je zuvor, wenn ich mit einem Jungen zusammen gewesen war.
Wie unter Drogen löste ich mich aus dem Kuss und sah, dass seine halb geschlossenen Augen über mich hinwegglitten. »W as ist?«, murmelte er.
»L ass uns zu dir gehen«, sagte ich mit rauer Stimme. Ich schluckte und versuchte Atem zu schöpfen, während meine Worte langsam zu seinem Verstand vordrangen. Er nickte, setzte sich auf und zog mich mit sich.
»C lio!«
Noch immer benommen blinzelte ich und sah Racey seitlich neben dem Sofa knien. Sie hielt einen Drink in der Hand und der Stiel einer Maraschinokirsche ragte aus ihrem Mund.
»E s ist Viertel vor elf«, sagte sie eindringlich und tippte mit dem Finger auf ihre Uhr.
Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Worte einen Weg in mein von Begierde umnebeltes Bewusstsein bahnten. »W as? Nein, noch nicht«, sagte ich, als würde sich die Lage ändern, wenn ich mich nur lange genug weigerte, die Realität zu akzeptieren.
Racey schaute mich geduldig an und würdigte André keines Blickes. Ich musste versuchen zu verstehen, warum sie ihn nicht mochte. So hatte sie sich noch nie verhalten. Na ja okay, sie hatte Jason Fisher gehasst, aber der war ja auch wirklich ein Arsch.
»E s ist Viertel vor elf«, sagte sie langsam und deutlich und vermied es, die Worte Das ist deine Sperrstunde vor meinem sexy Begleiter zu erwähnen. Eine loyale Freundin.
Also erst mal: Was würde Nan tun, wenn ich zu spät nach Hause kam? Wenn ich nicht mal annähernd um elf da sein würde? Ich dachte darüber nach, während ich mich aufrecht hinsetzte und meinen Mojito schlürfte. Normalerweise musste ich um keine bestimmte Uhrzeit daheim sein, aber wenn sie mich doch einmal darum bat und ich ihre Bitte ignorierte, war sie alles andere als glücklich. Düstere Erinnerungen an tonnenweise Hausarbeit stiegen in mir auf. Ich runzelte die Stirn.
Und jetzt, wo sie wegen der ganzen Zwillingsfluchgeschichte eh schon so angespannt war? Das würde nicht schön werden.
»I ch muss gehen«, sagte ich abrupt und kippte den Rest meines Drinks hinunter.
»N ein«, sagte André schmeichelnd. Seine warme Hand strich mir über den Arm und ich bekam eine Gänsehaut. »B leib. Ich fahre dich nachher nach Hause.«
»I ch gehe Della und Eugenie holen«, sagte Racey und stand auf. »I ch komme gleich wieder.« Um dich mitzunehmen, fügte sie nicht mehr hinzu.
Ich streichelte die warme, gebräunte Haut am v-förmigen Kragen seines Shirts.
»I ch muss wirklich gehen. Meine Großmutter will, dass ich heute Nacht früh nach Hause komme. Und ich hab’s ihr versprochen.«
»R uf sie an«, sagte André, während seine Finger mich zu überzeugen versuchten und mir einen Schauder nach dem anderen über den Rücken jagten. »E rklär es ihr. Sag ihr, dass ich dich bald sicher nach Hause bringe. Nur jetzt noch nicht.«
Ich seufzte. Racey kam zu uns zurück, stellte sich neben mich und klopfte mit dem Fuß auf den Boden.
»S ind die beiden fertig?«, fragte ich zögernd.
»S ie fahren nachher mit Susan Saltbier heim«, sagte Racey. Dass sie bereit war, nur wegen mir früher aufzubrechen, wusste ich sehr zu schätzen.
Während ich noch darüber nachdachte, schlang sich Andrés Arm um meine Taille und seine Hand glitt zwischen das untere Ende meines Mieders und den Saum meines tarnfarbenen Cargorocks.
»V ielleicht könnte André mich nach Hause fahren«, sagte ich langsam und das Clio-Teufelchen auf meiner Schulter nickte eifrig.
»V ielleicht könnte deine Großmutter deinen Kopf im Hof aufspießen«, sagte Racey und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
Ich biss mir auf die Lippen. Natürlich hatte sie recht. Und ich konnte noch froh sein, wenn Nan nur das mit mir anstellte. Zieh’s durch, bevor du wieder schwach wirst, sagte ich zu mir selbst, worauf das Clio-Engelchen erleichtert aufseufzte. Ich musste meine ganze Willenskraft aufbringen, um mich aus Andrés warmer Umarmung und der Verheißung intensiver Lust zu befreien.
»W irklich?«, fragte André und meine Knie drohten nachzugeben.
Ich nickte stumm. Jetzt aufzubrechen, lief allen Sehnsüchten
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