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Ein Kelch voll Wind

Ein Kelch voll Wind

Titel: Ein Kelch voll Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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er versucht hatte, ihre Gefühle nicht zu verletzen, aber in Wahrheit nur mich liebte …
    Ich rannte nach unten und fand Thais allein auf der Veranda sitzen, wie sie die Sterne betrachtete.
    »V orhin war es noch bewölkt«, sagte sie, und es hörte sich an, als habe sie geweint. »J etzt ist der Himmel wieder klar.«
    »J a.« Bitterkeit steckte in meiner Kehle und es gelang mir nicht, sie hinunterzuschlucken. Mein blauer Camry war auf der Straße geparkt. In New Orleans besaß kaum jemand eine Garage und nur wenige hatten eine Auffahrt.
    Thais ging durch das Eingangstor, während ich die Tür hinter mir abschloss. Ich fühlte mich ausgelaugt und vollkommen erschöpft. Ich wollte sie einfach nur loswerden, um mich in mein Bett fallen zu lassen und zu weinen, ohne dass es jemand mitbekam.
    Ich stieg die schmalen Stufen vor der Eingangstür hinunter, und gerade als ich das Tor erreicht hatte, hörte ich ein Summen, das mit jeder Sekunde lauter wurde. Ich blickte auf die Telefonleitungen, die über mir hingen– stimmte da etwas nicht? Oder kam von irgendwoher Musik?
    »C lio!«
    Abrupt wandte ich den Kopf nach Thais. Mir blieb die Luft weg. Eine riesige, dunkle Wolke bewegte sich auf sie zu. »T hais!«, brüllte ich. »K omm wieder durch das Tor!«
    Doch es war zu spät. Die dunkle Wolke umschloss sie. Thais schrie. Voller Entsetzen sah ich, dass es Wespen waren, die sie da angriffen. Eine riesige, brummende Masse wütender Wespen. Das hier konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, so verhielten sich die Viecher normalerweise nicht. Das bedeutete, sie waren absichtlich hierhergeschickt worden, um Thais oder uns beide zu verletzen. Während ich durch das Tor raste, begann ich einen Auflösungszauber. Ich malte das mächtige Schutzzeichen der Ailche in die Luft, gefolgt vom Bay, dem Zeichen des Windes.
    »C lio!«, kreischte Thais. Ihre Stimme drang dumpf aus der Wolke heraus.
    »I ch komme!«, brüllte ich. Dann tauchte ich mitten in die Wolke ein und packte Thais. Wenn es mir gelang, sie wieder durch das Tor zu ziehen, würden die Schutzzauber uns helfen. Doch auf einmal war es, als würden tausend heiße Nadeln meine Haut durchbohren. Ich schrie auf. Thais weinte, ruderte mit den Armen und torkelte. Ich begann, sie in Richtung Tor zu zerren.
    Panik überkam mich. Meine Augen schwollen zu und eine der Wespen hatte mich ins Ohr gestochen. Ich war ein einziger, brennender Schmerz. Das Dröhnen ließ nach, als ich einen Bannzauber in die Wolke hineinrief, doch Sekunden später war das Wespendickicht um uns herum wieder so dicht, dass ich nicht mal mehr unser Haus oder das Tor sehen konnte. Wir stolperten über den Bordstein auf die Straße– wir waren in die falsche Richtung gelaufen!
    »T hais!«, schrie ich. »G ib mir deine Energie!«
    »W aaa… Ich kann das nicht!«, heulte sie hysterisch.
    »S chick mir einfach deine Energie, deine Stärke, irgendwie!«, erwiderte ich. »D enk nach!«
    Ich hielt sie an beiden Schultern fest. Meine Hände waren so geschwollen und taub, als müsse meine Haut aufplatzen. Alles in mir wollte einfach nur besinnungslos schreien und Tausende Kilometer von hier fliehen, doch ich zwang mich, stillzustehen und den Schmerz und das entsetzliche Brennen zu ignorieren. Salzige Tränen liefen über mein geschwollenes, klebriges Gesicht.
    »A ilche, beschütz uns!«, rief ich weinend. Meine Zunge war dick. »B ay, löse den Schwarm auf! Déesse, hilf uns!« Ich konzentrierte mich auf Thais, kämpfte mich durch ihre schreckgelähmte Körperhülle in ihr Innerstes vor, zu ihrer schlummernden Energie, die mir so vertraut, meiner so ähnlich war. Und so fand ich die Macht, von der sie gar nicht wusste, dass sie sie besaß, verband sie mit meinen Kräften und wiederholte den Bannspruch:
    Dunkle Kraft, lass uns leben
    Deine Macht ist fort, so wie dein Glück
    Mein Zwilling hat mir Kraft gegeben
    Dreimal komm’ der Fluch zu dir zurück.
    Inzwischen waren meine Augen beinahe vollkommen zugeschwollen, doch ich hörte, wie das Dröhnen allmählich nachließ. Ich glaubte keine neuen, beißenden Stiche mehr auf meiner Haut zu spüren und riskierte es, die Augen, so weit es ging, zu öffnen. Der Schwarm hatte sich in der Tat schon ein wenig aufgelöst. Wirre Wespenkolonnen flogen ziellos umher, als wüssten sie nicht, wie sie hierhergekommen waren und was sie hier machten. Unsere Füße waren eingegraben in Wespenkörper.
    Nach einer weiteren Minute waren sie alle verschwunden. Thais und ich standen auf der

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