Ein Kerl macht noch keinen Sommer
ein paar Taschentücher aus der Packung; es sah aus, als würde Jane sie brauchen.
»Das hier wird meine letzte Serie sein. Sie überlegen, ob sie mich durch Elaine Massey ersetzen sollen.«
Anna zog die Augenbrauen zusammen. »Wie, Elaine Massey, die Tussi aus dieser Ex-Mädchenband, die so beschissen war, dass ich mich nicht mal an den Namen erinnern kann? Das kann nicht sein; sie ist doch erst zwölf.«
Jane lachte unter ihren Tränen verächtlich auf. »Nein, sie ist zweiundzwanzig, und ich bin achtundzwanzig. Sechs ist eine große Zahl in Fernsehjahren«, schniefte sie geknickt. »Sie ist so umwerfend und jung …«
Anna traute ihren Ohren nicht. »Wow, Augenblick mal«, warf sie ein. »Sie sind achtundzwanzig? Was ist denn jung, wenn nicht das? Und Sie sind viel umwerfender als dieses Mädchen!«
Jane lächelte. »Das ist sehr lieb von Ihnen, aber jung und knackig, das ist heutzutage angesagt, und ich bin fast dreißig. Am Dienstag findet eine Besprechung statt, bei der darüber entschieden wird, wer die nächste Serie leiten wird.« Mehr Tränen kullerten ihr über die Wangen.
Anna beugte sich nah zu ihr vor.
»Dann werden Sie sie eben überzeugen müssen, dass man nichts austauschen soll, was nicht kaputt ist, oder?«
»Ich wünschte, das könnte ich«, krächzte Jane. Jede Schadensbegrenzung bei ihrem Make-up war inzwischen sinnlos; es würde völlig neu gemacht werden müssen.
Anna holte einmal tief Luft. »Wissen Sie, ich bin unter anderem deshalb nie wirklich aufgeblüht, weil ich meine Jugend nie zu schätzen wusste. Ich habe diese ganze Frische und Energie immer für selbstverständlich gehalten. Als ich zwanzig war, habe ich auf meine Teenagerjahre zurückgeblickt und mir gewünscht, ich könnte noch immer in der Schule sein. Als ich dreißig war, habe ich mir gewünscht, ich könnte meine strahlend frische Haut einer Zwanzigjährigen wiederhaben, und den Bauch, der sofort wieder flach war, sobald ich nur ein bisschen abnahm. Und jetzt bin ich vierzig und blicke auf meine Dreißiger zurück und wünschte, ich hätte einfach zu schätzen gewusst, was ich damals hatte. Ich habe immer nur zurückgeblickt und bereut. Als Jugendliche war ich durchaus hübsch, aber damals habe ich das nicht begriffen, und ich wünschte nur, das hätte ich getan.« Sie legte Jane die Hände auf die Arme und zog sie genau vor sich.
»Sie sind jetzt in den Zwanzigern, und ich sage Ihnen, Sie müssen jetzt zu schätzen wissen, wie umwerfend, schlau, fabelhaft und beliebt in der Öffentlichkeit Sie sind. Und Sie müssen es tun, solange Sie dieses Alter haben, nicht erst in zehn Jahren. Kämpfen Sie!«
Anna ließ ihre Worte in Janes Gehirn eindringen. Sie sah ein aufgeregtes Flattern hinter ihren entzückenden blauen Augen. Jane nickte langsam.
»Mein Gott, Sie haben recht«, sagte sie mit einer jetzt erfreulich starken Stimme. »Das sollte ich wirklich tun. Ich habe mir nie überlegt, dass ich erst achtundzwanzig bin.«
»Genau – Sie sind erst achtundzwanzig!«
Ein strahlendes Lächeln zeigte sich auf Janes Gesicht. »Anna, ich werde für meine Sache kämpfen, wie Sie es mir gesagt haben.«
»Gut so«, sagte Anna augenzwinkernd.
»Mädels, wir sind bereit für Teil zwei«, unterbrach sie Mark. »Anna, setzen Sie sich vor diesen Laptop. Wir müssen Ihnen etwas Tolles zeigen.«
Es war alles andere als toll. Es war grauenhaft, und Bruce hielt jede Miene des Entsetzens fest, zu der sich Annas Gesicht verzerrte, während sie zusah, wie ein riesiges Bild von ihr in ihrer abscheulichen Unterwäsche auf die Seitenwand eines großen Gebäudes in Leeds projiziert wurde. Dann begann Jane, Passanten auf der Straße anzusprechen und sie zu fragen, was sie von Annas halb nackter Figur hielten.
Anna hielt sich die Hände vors Gesicht und schielte nur zwischen den Fingern hindurch, während sie darauf wartete, dass der kleine Mann auf der Straße seinen Kommentar abgab.
Was für einen schwabbeligen Arsch diese Frau hat!
Ein Glück, dass ich nicht so aussehe wie diese hässliche Kuh!
Großer Gott – wer ist das denn? Ist Hattie Jacques wieder zum Leben erwacht?
Fantasie war eine gefährliche Selbstmordwaffe. Denn tatsächlich sagten die Leute in Leeds nichts von alledem.
Hübsche volle Brüste. Die hätte ich auch gern.
Diese Unterwäsche wird ihr nicht gerecht.
Tolle weibliche Figur, so sollte eine flotte Biene aussehen.
Eine gut aussehende Frau. Ich würde sagen, ungefähr fünfundvierzig.
»Okay«, begann Anna.
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