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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Armbrüste, der goldenen, mit Edelsteinen verzierten Zarenkronen, Zepter und Reichsäpfel. Hier sah man eine einzigartige Sammlung von Zarenthronen, herrliche Gold- und Silberschmiedearbeiten, Goldstickereien, Beinschnitzereien und vieles andere. Der hier gezeigte Reichtum überstieg jede Vorstellung, angefangen von den zierlichen juwelenbesetzten Ostereiern und Miniaturblumen des berühmten Juweliers Fabergé bis hin zu den alten Paradekutschen mit Goldbeschlägen, manche davon wahre Häuser auf Rädern. Die Ikonen waren teilweise derart mit Perlen und kostbaren Steinen überladen, daß sie völlig unförmig wirkten und ihres eigentlichen Sinnes beraubt. Selbst Zaumzeug, Sättel und Satteltaschen waren überreich mit Türkisen, Goldfiligran, Lapislazuli, Topasen und Diamanten besetzt.
    Der Anblick war einfach überwältigend. Die Juwelen und Preziosen versprühten ganze Strahlenbündel flammender Farben. Ada sagte: «Mein Gott, Violet, dagegen sehen unsere Kronjuwelen im Tower aus wie von Woolworth, wie? »
    Mrs. Butterfield sagte: «Ich dachte, die wären hier alle arm. Wem gehört denn das ganze Zeug?»
    Mrs. Harris erwiderte: «Das weiß ich auch nicht, aber vielleicht sollten sie es verkaufen und den Erlös verteilen, damit jeder was davon hat — das verlangen sie doch immer. Dann könnten die Leute sich anständige Kleider leisten und möglicherweise auch ein funktionierendes Badezimmer.»
    Plötzlich stand die Intourist-Führerin neben ihnen und sagte feierlich: «Das alles gehört dem Volk.»
    Aus der Menge ließ sich eine Stimme vernehmen: «Ich dachte, dieser ganze Zarenkram sei abgeschafft worden.»
    Die Fremdenführerin sagte: «Zaren gibt nicht mehr, aber wir zeigen Ihnen Beispiele von wundervolles russisches Kunsthandwerk.»
    Danach wurden die Touristen in die wartesaalähnliche Speisehalle eines Hotels verfrachtet, wo schlecht gelaunte Kellner und Kellnerinnen ihnen ein Allerweltsessen servierten. Und von dort ging es dann weiter in die verschwenderische Pracht des einmaligen Bolschoi-Theaters, wo sich ein Märchenballett vor ihnen entfaltete. Es gab Dornröschen , und wieder fiel Ada der eigenartige Kontrast zwischen Publikum und Bühne auf: Im Zuschauerraum grobknochige, gedrungene Männer und Frauen, die alle wie aus demselben Granitblock gemeißelt wirkten, die Männer mit offenem Hemdkragen, die Frauen in Kleidern, die nur selten eine bunte Schleife oder sonst ein Zierat schmückte, und auf der Bühne Grazie, Schönheit und der Adel fließender, harmonischer Bewegung, vor allem aber die schlanken, ranken Tänzer selbst in ihren schimmernden Kostümen, die mit unirdischer Leichtigkeit durch die Luft zu schweben schienen. Es war nicht nur für Ada, sondern für jeden Ausländer schwer zu begreifen, daß die Menschen zu beiden Seiten des Proszeniums dem gleichen Volk angehörten. Diese schönen, ätherischen Wesen, auch sie Russen, hatten sich phönixgleich über die erdgebundene, schwerfällige Masse, die ihnen zusah, erhoben.
    Wieder einmal wurden die Touristen von den weiten, offenen Plätzen der Stadt — einer Stadt, die, sobald man den Roten Platz und den Kreml-Bezirk hinter sich gelassen hatte, aus gleichförmigen, abweisenden, schmucklosen Häuserblocks bestand — in die unterirdischen Paläste der berühmten Moskauer U-Bahn geschleust. Jede Station war mit prächtigen Skulpturen, Wandmalereien, Flachreliefs, bunten Kacheln und farbenfrohen Mosaiken ausgestattet, doch die jeweilige Zusammenstellung zeugte oft von einer gewissen kindlichen, fast rührenden Großmannssucht.
    Mrs. Butterfield sagte: «Was soll das alles, wenn sie es unter der Erde verstecken? » Doch Mrs. Harris, die merkwürdigerweise allmählich so etwas wie Sympathie, ja fast Verständnis für dieses unbegreifliche Volk aufzubringen begann, in dessen Mitte sie sich dank der gewonnenen Reise für ein paar Tage befand, erwiderte: «Ach, weißt du, Vi, wir sollten vielleicht im Gegenteil von dieser Pracht etwas mit nach Hause nehmen. Unsere U-Bahn-Stationen könnten ruhig ein bißchen heller und freundlicher sein.»
    Der Ausflug nach Moskau erwies sich als so interessant, aufregend und ungewöhnlich, daß Mrs. Harris nur noch wenig an die Romanze zwischen Mr. Lockwood und der Dame seines Herzens dachte, und selbst die Tatsache, daß ihr Gepäck durchsucht worden war und sie ganz offensichtlich ständig von mehreren Geheimdienstleuten beschattet wurden, fügte sich irgendwie organisch ein in das Bild, das diese wunderbare Stadt

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