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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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wer weiß, was uns Schreckliches passiert.»
    «Unsinn», erwiderte Ada, glücklich darüber, jeder Aufsicht ledig zu sein. «Als erstes sehen wir uns mal dieses an. Ich habe mir gemerkt, wo es ist, als man es uns kürzlich gezeigt hat. Es ist gleich hier um die Ecke, hinter dieser Kirche da.»

13

    Es stellte sich heraus, daß die Intourist-Führerin recht gehabt hatte: Das war in der Tat nur etwas für Millionäre, und jeder andere vergeudete dort nur seine Zeit. Wenn die Sowjets es auf Valuta abgesehen hatten, lieferten sie dafür keine Reiseandenken billiger Art. Die Touristen-Prospekte versprachen das Beste und Verlockendste, was die Sowjetunion zu bieten hatte: Kostbare Steine, antike Gold- und Silberwaren, unschätzbare Ikonen aus alten Kirchen, Pretiosen aus der Werkstatt von Fabergé, Goldmünzen, hochkünstlerische Schnitzereien, Kunsthandwerk aus entlegenen Sowjetrepubliken, wie zum Beispiel Decken von einer solchen Feinheit, daß man meinte, die durch ein Nadelöhr ziehen zu können, handgewebte Seide und Spitzen, von den Pelzen zu schweigen.
    Ada und Violet schlenderten mit großen Augen an den geschmackvollen Auslagen dieser Schatzkammer vorbei. Die Preise waren zur Bequemlichkeit des Publikums in Dollar, Pfund, französischen Francs und DM angegeben, mit besonderer Berücksichtigung der Pesos, Cruzeiros und Boliva der südamerikanischen Millionäre.
    «Mein Himmel», sagte Mrs. Harris. «Was sollen wir hier? Für fünf Pfund bekommen wir hier höchstens das Packmaterial.»
    Trotzdem machte den beiden der Einkaufsbummel Spaß — auch ohne Einkäufe. Ein Gegenstand, auch wenn er die unerschwingliche Summe von zwei- oder viertausend Pfund kostete, kann einem doch irgendwie Vergnügen bereiten, besonders dann, wenn man Mrs. Butterfields Meinung teilt, die von einigen der weniger liebevoll gearbeiteten Antiquitäten sagte: «O Gott, nicht geschenkt würde ich das in meiner Wohnung haben wollen.» Nachdem sie ihre erste halbe Stunde der Ungebundenheit gründlich ausgekostet hatten, verließen die beiden Frauen das Kaufhaus wieder; auf der Straße wurden sie schon, ohne etwas davon zu ahnen, von ausgesuchten Polizisten und KGB-Leuten erwartet. Ironischerweise bedurfte es weder eines Polizisten noch eines Milizionärs oder Soldaten und auch nicht der Menge von Geheimdienstleuten in den verschiedensten Verkleidungen, angefangen von den allgegenwärtigen schwarzgekleideten, mit ihren Hexenbesen die Straße fegenden alten Frauen bis hin zu turkestanischen Juteverkäufern und usbekischen Kameltreibern, um Mrs. Harris und Mrs. Butterfield dazu zu bringen, eine der über hundert Vorschriften zu übertreten, die keinen anderen Zweck haben als Sowjetbürgern wie auch Touristen eine Falle zu stellen und sie, zumindest vorübergehend, festnehmen zu können. Alles geschah, als sei es sorgfältig inszeniert, sozusagen von selbst.
    Als die beiden Frauen auf die sonnenhelle Straße traten, geblendet von dem grellen Licht und unschlüssig, welche Richtung sie einschlagen sollten, um die verbliebenen Stunden der Freiheit zu nutzen, kam ein uralter, siebensitziger Bentley — ein verbeultes, klappriges, bis obenhin mit Dreck bespritztes und über und über mit Straßenstaub bedecktes Vehikel — angerattert und hielt am Bordstein. Statt sieben drängten sich zehn Menschen in ihm zusammen, sechs junge Männer und vier Mädchen. Die jungen Männer trugen Jeans und T-Shirts mit den Namen verschiedener amerikanischer Universitäten auf der Brust, wie Forest Wake University, Yale, Princeton, Culver City Academy und University of West Oklahoma. Die jungen Mädchen waren ähnlich angezogen. T-Shirts waren damals große Mode, und man bekam sie überall in Europa zu kaufen.
    Das sonderbare Gefährt und die höchst un-russisch aussehenden Insassen, die nun herausquollen und sich davor stellten, veranlaßten neugierige Passanten stehenzubleiben, und innerhalb weniger Sekunden hatten sich etwa fünfundzwanzig bis dreißig Leute angesammelt. Der Leiter der Gruppe, ein hochgewachsener junger Mann mit asketischen Gesicht und dem Blick des Fanatikers, steckte den Daumen in seinen Gürtel und sagte in feierlichem Ton: «Der Herr ist immer bei uns. Lasset uns alle gemeinsam singen und den Herrn preisen, der unser Schild und Schutz ist.» Ein anderer junger Mann holte ein Kornett hervor, setzte es an die Lippen und blies die Einleitung zu dem schönen alten Kirchenlied . Neun jugendliche Stimmen fielen

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