Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
haben.»
Zwei von Mrs. Butterfields Kinnen zitterten, als sie sich die Bedeutung dieses Ausrufs vorstellte. «Natürlich brauchst du einen neuen Hut, mein Häschen, und der wird wirklich einen Haufen kosten.»
Mrs. Harris nahm das gelassen und sogar mit einigem Vergnügen hin. Es war Jahre her, seit sie sich den letzten Hut geleistet hatte. «Es läßt sich eben nicht ändern. Nur gut, daß ich mir was von meinem Geld eingesteckt habe.»
Die beiden benutzten den folgenden Samstagnachmittag für diese Besorgungen und begannen natürlich mit der Wahl des Hutes. Es war nicht zu leugnen, daß Mrs. Harris sich sofort in ihn verliebte, als sie ihn im Schaufenster sah; doch entschlossen wandte sie sich ab, denn er kostete ein Pfund und einen Schilling, während alle andern billiger waren: Sonderangebote für die Hälfte und einige sogar zum dritten Teil des Preises.
Doch Mrs. Harris wäre keine echte Londoner Scheuerfrau gewesen, wenn ihr der Hut für einundzwanzig Schilling nicht viel besser gefallen hätte: schließlich war er ja eigens für die Angehörigen ihrer Berufsklasse ausgedacht, entworfen und fabriziert worden. Er war aus grünem Stroh und flach wie eine Matrosenkappe; aber bemerkenswert wurde er erst durch die rosa Rose auf einem kurzen, jedoch biegsamen Stengel, die an der Vorderseite angebracht war. Natürlich war Mrs. Harris von ihrer Liebe zu Blumen und von der Rose überwältigt worden. Sie trat vor ihrer Freundin in den Laden und probierte pflichtschuldigst einige Gebilde auf, deren Preis erschwinglicher war; doch immer wieder schweiften Gedanken und Augen zum Fenster, wo der Hut ausgestellt war. Schließlich vermochte sie sich nicht mehr zu bezwingen und fragte danach.
Mrs. Butterfield prüfte das Preisschild mit Entsetzen. «Du meine Güte!» sagte sie, «einundzwanzig Schilling! Das ist ja Verschwendung, wo du jetzt so lange gespart hast!»
Mrs. Harris setzte ihn auf und war besiegt. «Ist egal», sagte sie beharrlich, «dann fahr ich eben eine Woche später.»
Wenn schon eine Kamera ihre Züge und ihre Persönlichkeit für alle Zeiten festhalten sollte, damit sie sie im Paß bei sich tragen, sie ihren Freundinnen zeigen und in einem kleinen Rahmen auf Mrs. Butterfields Frisierkommode stellen konnte, dann wünschte sie sich mit diesem Hut und keinem andern. «Den nehme ich», sagte sie zu der Verkäuferin und zählte einundzwanzig Schilling auf. Sie verließ den Laden und trug den Hut stolz auf dem Kopf. Was bedeutet schließlich ein Pfund und ein Schilling für sie, die drauf und dran war, vierhundertfünfzig Pfund für ein einziges Kleid anzulegen.
Der Paßbildfotograf hatte nichts zu tun, als sie hinkamen, und bald hatte Mrs. Harris vor dem kalten Auge seines Apparates Platz genommen, während er sie mit krummem Rücken unter der Verhüllung seines schwarzen Tuches inspizierte. Dann schaltete er eine Gruppe heißer Scheinwerfer ein und beleuchtete damit alle Falten und Runzeln, die lange Jahre mühseliger Plackerei in das schlaue und vergnügte Gesicht von Mrs. Harris gegraben hatten. «Und nun, Madam», sagte er, «wenn Sie freundlicherweise den Hut abnehmen wollten...»
«Den Teu... kommt nicht in Frage!» erklärte Mrs. Harris kurz und bündig. «Was glauben Sie denn, wozu ich diesen Hut gekauft habe, wenn er nicht aufs Bild soll!»
Der Fotograf erwiderte:
«Tut mir leid, Madam, das ist gegen die Vorschriften. Das Paßbüro nimmt keine Fotos mit Hut an. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen hinterher andere — zwei Pfund das Dutzend — mit Hut machen.»
Mrs. Harris erklärte, der Fotograf solle sich mit seinen Zweipfund-Bildern sonstwohin scheren, und Mrs. Butterfield tröstete sie. «Mach dir nichts draus, Liebste, du setzt ihn auf, wenn du nach Paris fährst. Dann gehst du streng mit der Mode.»
Es war an einem dunstigen Maimorgen vier Monate später — oder um genau zu sein: zwei Jahre, sieben Monate, drei Wochen und einen Tag nach ihrem Entschluß, ein Kleid von Dior zu besitzen — , als sie sich, mit allem Nötigen versehen, den grünen Hut mit der rosa Rose auf dem Haupt, von der zitternden und nervösen Mrs. Butterfield zu dem Bus bringen ließ, der zum Flughafen fuhr. Außer mit dem lange und mühsam gehorteten Vermögen, dem Preis für das Kleid, war sie mit dem Paß, dem Rückflugschein nach Paris und ausreichenden Mitteln versehen, um die Stadt zu erreichen und wieder zurückkehren zu können.
Für diesen Tag hatte sie sich vorgenommen, ihr Kleid auszusuchen und zu
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