Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
Vom Netzwerk:
Schlimmer als Mrs. Butterfields düsteres würde das Mitleid sein, dieses , und all die gutgemeinten, aber ungeschickten Versuche, sie zu trösten; das alles hätte Mrs. Harris nicht ertragen. Sie wollte nichts als weinen — weiterweinen, bis sie starb.
    Sie zog das feuchte Kissen über die Ohren, um den Lärm der Klingel auszusperren, doch nun hörte sie, ein wenig beunruhigt, lautes Klopfen und Hämmern an der Tür. Das klang energischer und heftiger, als sie es von Mrs. Butterfield gewohnt war.

    Vielleicht war irgendwo etwas passiert, ein Unglücksfall, und sie wurde gebraucht. Sie erhob sich rasch, wischte sich eine Haarsträhne aus den Augen und öffnete die Tür.
    Draußen stand ein Eilbote und starrte sie an, als sähe er einen Geist.
    Wie ein Unglücksrabe krächzte er gallig düster: «Sind Sie Mrs. Harris?»
    «Na, wer denn sonst? Vielleicht die Prinzessin Margaret? So ein Gehämmer und Geklopfe! Als ob das Haus brennt...»
    «Na, Gott sei Dank!» sagte er und strich sich erleichtert über die Stirn. «Sie haben mir einen schönen Schrecken eingejagt. Ich dachte schon, Sie sind tot, weil Sie nicht aufgemacht haben. Und was hätte ich dann mit den Blumen angefangen? Ich hab wahrhaftig gedacht, die sind für die Leiche.»
    «Was?» fragte Mrs. Harris. «Was für Blumen?»
    Der Postbote grinste. «Blumen aus Frankreich — Eilzustellung. Lassen Sie mal die Tür offen, damit ich sie reinschaffen kann.»
    Er machte die hintere Tür seines Wagens weit auf und holte dann eine weiße Schachtel nach der andern heraus, alle mit der Aufschrift: Luftpost — Expreß — Zerbrechlich — Verderblich. Der verwirrten Mrs. Harris schien es, als wolle der Mann überhaupt nicht wieder aufhören, zwischen seinem Auto und ihrem Zimmer hin und her zu laufen, und sie war fest überzeugt, daß das irgendein Irrtum sei.
    Aber es war keiner.
    «Unterschreiben Sie mal hier», sagte er, als er seine Aufgabe endlich erfüllt hatte, und hielt ihr sein Buch unter die Nase.
    Da stand ihr Name und ihre Adresse, es war nicht zu bezweifeln — Madame Ada Harris, London, Battersea, Willis
    Gardens Nr. 5.
    Er ging, und sie war abermals allein. Dann machte sie sich daran, die Schachteln und Pakete zu öffnen, und einen Augenblick lang fühlte sie sich wieder nach Paris versetzt; das düstere kleine Zimmer verschwand plötzlich unter einem Garten von Blumen, der es unter sich begrub: Dutzende von dunklen, tiefroten Rosen, elfenbeinweißen Lilien, Sträuße von roten und gelben Nelken und Bündel von Gladiolen, bereit, in allen Farben vom tiefsten Mauve bis zum blässesten Zitronengelb aufzubrechen. Azaleen, lachsfarben, weiß und karmin, Geranien, Sträuße von süßduftenden Fresien und ein ungeheures Bukett Veilchen, groß wie ein Wagenrad, mit sechs weißen Gardenien in der Mitte.
    Im Augenblick schien ihre Wohnung in einen Blumenstand auf dem Marché aux Fleurs verwandelt, denn auf den taufrischen, prallen Blütenblättern funkelten noch Wassertropfen.
    War es Zufall oder eine wunderbare Fügung, daß diese duftende, heilende Gabe sie im Augenblick ihres tiefsten Schmerzes erreichte? Sie löste die Karten von den Blumen und las die Mitteilungen darauf. Sie enthielten alle Grüße zur Heimkehr, Zeichen der Liebe und des herzlichen Gedenkens von ihren Freunden, dazu gute Nachrichten.

    «Willkommen daheim. Wir konnten nicht länger warten. André und ich haben heute geheiratet. Gott segne Sie.
    Natascha.»

    «Ich bin der glücklichste Mensch der Welt — dank Ihnen.
    André Fauvel.»

    «Einen Willkommensgruß der Dame, die Geranien liebt. Ich habe den Kupferpenny nicht vergessen.
    Hypolite de Chassagne.»

    «Empfehlungen von Christian Dior.» (Mit den Veilchen.)

    «Herzliche Grüße zu Ihrer Heimkehr.
    Die Angestellten von Christian Dior.»

    «Viel Glück! Zuschneider, Einrichter und Näherinnen, Maison Christian Dior.»

    Und schließlich:

    «Meine Liebe, Jules ist heute zum Vortragenden Rat in der angelsächsischen Abteilung am Quai d’Orsay ernannt worden. Was könnte ich anderes sagen als Dank.
    Claudine Colbert.»

    Mrs. Harris spürte, wie ihre Knie zitterten, sie sank zu Boden und legte die Wange an die glatten, kühlen, stark duftenden Rosenblüten, die Madame Colbert ihr geschickt hatte; abermals füllten Tränen ihre Augen, und ihr Geist geriet in einen Aufruhr von Erinnerungen.
    Sie sah sie alle wieder vor sich: die verständnisvoll weibliche

Weitere Kostenlose Bücher