Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau
wählte?
Ada Harris hatte keine klare Vorstellung davon, wie das Parlament funktionierte, und schon gar nicht von Politik, außer daß sie fand, alle Politiker taugten nicht viel. Sie war nie im Unterhaus gewesen, und so mußte sie schon ihre Phantasie zu Hilfe nehmen, um die köstliche Szene vor sich zu sehen, in der jemand, der ein prächtiges Kostüm mit Kniehosen trug, mit einem Amts- oder Bischofsstab auf den Boden klopfte und rief: «Ich bitte um Ruhe, Ladies und Gentlemen und Ehrenwerte Mitglieder. Wir hören jetzt eine Rede von Mrs. Ada Harris über das Thema: Während Ada Harris sich ihre Rede zurechtlegte, schlief sie schließlich ein.
2
Am nächsten Morgen erhob sich Mrs. Harris beizeiten, um wie so viele Tausende ihrer Putzfrauenkolleginnen sich in die verschiedenen Wohnungen oder Büros zu begeben, die sie blitzsauber verlassen würden, damit die, die in ihnen arbeiteten oder wohnten, sie dann wieder versauen konnten. Sie dachte immer noch über die Diskussion am Abend zuvor und über ihren Traum nach.
Ein seltsames Gefühl von Unerfülltsein war in ihr, so wie sie es oft an sich erlebte, wenn sie sich an etwas erinnerte, das sie hatte tun wollen, aber nicht getan hatte. Es war ein recht schöner Traum gewesen. So manchen schönen Traum hatte Ada Harris im Laufe ihres Lebens geträumt, und einige davon hatte sie erstaunlicherweise erfüllen können.
Aber nachdem sie die Büros der Firma für elektrische Geräte am Sloane Square geputzt hatte, ging sie zu einer ihrer ältesten Kundinnen, Lady Dent, deren Garderobe einst der Anlaß dafür gewesen war, daß Mrs. Harris nach Paris fuhr, um dort ausgerechnet ein Kleid von Dior zu erstehen, räumte dann bei Major Tiverton auf, der jeden Morgen eine erstaunliche Unordnung hinterließ — aber er war nun einmal Junggeselle-, machte schließlich im Laboratorium Alexander Heros sauber und hatte darüber das alles vergessen.
Es fiel ihr erst durch die ungewöhnlichen Umstände wieder ein, die sie in dem Haus Eaton Mews North 88 vorfand. Als sie nämlich die Schlüssel aus ihrer Plastiktasche herausgefischt und sich selber hereingelassen hatte, rief eine heisere Stimme aus dem Schlafzimmer oben: «Hallo! Sind Sie’s, Mrs. Harris? Erschrecken Sie nicht. Ich liege hier im Bett.»
Es waren wirklich äußerst ungewöhnliche Umstände und zu einer äußerst ungewöhnlichen Zeit. Denn wenn er in der Stadt blieb, war Sir Wilmot um neun Uhr morgens immer in seinem Büro, und jetzt war es schon nach elf.
«Sie sind doch nicht etwa krank?» rief Mrs. Harris.
«Nur ein bißchen erkältet», krächzte Sir Wilmot von oben. «Es wird sicher bald wieder besser.»
Mrs. Harris stellte ihre Tasche ab und rief: «Bleiben Sie hübsch liegen, ich setze schnell Wasser für eine Tasse Tee auf. Ich komme dann gleich hinauf, um nach Ihnen zu sehen.»
Eine Tasse Tee war Mrs. Harris’ Allheilmittel oder zumindest der richtige Anfang jeder Kur. Sie füllte den Kessel, stellte ihn auf den Herd, streifte ihren Kittel über und band sich ein Tuch um den Kopf, ging in Sir Wilmots Schlafzimmer hinauf und sagte: «Da bin ich.»
Wenn Sir Wilmot offensichtlich auch nicht besorgniserregend krank war, so wirkte er doch leidend. Er hatte in der Nacht stark geschwitzt, denn sein schon schütteres Haar war ganz zerzaust und sein Pyjama zerknittert. Auch die Bettlaken waren zerknittert, und auf dem Nachttisch stand ein ganzes Sortiment von Pastillen und Medizinen, während auf der Bettdecke eine offene Aktentasche und verschiedene Papiere lagen und andere auf dem Fußboden verstreut waren. Die vielen Zigarettenstummel im Aschenbecher deuteten darauf hin, daß er die ganze Nacht die Wirkung der Heilmittel, die er eingenommen, durch Zigarettenrauch und Nikotin wieder zunichte gemacht hatte.
«Nein, so was!» sagte Mrs. Harris. «Sie unvernünftiger Mann! Sie haben ja alles nur noch schlimmer gemacht.»
«Ach, ich hab’s nur ein bißchen im Hals», krächzte Sir Wilmot. «Aber mir war nicht danach, ins Büro zu gehen. Ich habe Bayswater aufs Land geschickt, um meine Frau zu holen. Mir fehlt weiter nichts. Das geht schnell vorüber.»
«Ja, bestimmt, sobald ich das Nötige getan habe», sagte Mrs. Harris. «Zunächst einmal muß das Bett frisch bezogen werden, und Sie müssen einen sauberen Pyjama anziehen.» Sie war schon an seiner Kommode und reichte ihm den Pyjama. «So, und jetzt gehen Sie ins Badezimmer und waschen sich, während ich das Bett
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