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Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau

Titel: Ein Kleid von Dior, Freund mit Rolls-Royce, Mrs. Harris fliegt nach Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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mache und hier ein wenig Ordnung schaffe. Ich werde Ihnen sagen, wann Sie wieder herauskommen können.»
    In Wirklichkeit war Sir Wilmot froh, daß sie da war, denn seine Frau würde erst in mehreren Stunden eintreffen können. Er war ein großer, gut genährter Mann, der angenehm und attraktiv ausgesehen hätte, hätte nicht sein Gesicht ein wenig «unfertig» gewirkt. Alles darin war im Verhältnis zu dem übrigen etwas zu klein: die spitze Nase, der leicht verkniffene Mund, die ein bißchen zu eng aneinander stehenden Augen und die kleinen Ohren, als ob der Schöpfer hier mit dem Material geknausert hätte. Aber er war als ein recht netter Mann bekannt, besonders bei denen, die zufriedenstellend für ihn arbeiteten, und ebenso als ein gerissener, rücksichtsloser Antreiber hinter den Kulissen der Mittelpartei, die er bei den bevorstehenden Wahlen auf Vordermann zu bringen versuchte.
    Jetzt trottete er gehorsam ins Badezimmer, seinen sauberen Pyjama in der Hand, und wirkte ein wenig wie ein altes Baby. Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, machte sich Mrs. Harris ebenso eifrig wie geschickt an die Arbeit.
    Zwanzig Minuten später lag Sir Wilmot behaglich in dem sauberen Bett, mit mehreren Kissen im Rücken und einem Tablett mit Tee, warmem, mit Butter bestrichenem Toast, Marmelade und Orangensaft auf dem Schoß. Die Aschenbecher waren geleert, die Vorhänge aufgezogen und das Zimmer frisch gelüftet. Er fühlte sich schon sehr viel besser. Das Gurgeln und das Waschen hatten ihm wohlgetan.
    «Mrs. Harris, Sie sind ein Engel», sagte er.
    «Meinen Sie? Nun, es ist sehr nett von Ihnen, das zu sagen.
    Ich sorge gern für andere. Aber heute vormittag werden keine Zigaretten mehr geraucht, und Sie werden frühstücken, während ich unten putze. Dann komme ich wieder, um zu sehen, wie’s Ihnen geht, und vielleicht um ein bißchen mit Ihnen zu plaudern.»
    An diesen Worten beunruhigte Sir Wilmot nichts, denn er war immer noch in so gehobener Stimmung, daß er vergessen hatte, was jeder Politiker weiß, daß nämlich nichts, absolut nichts im Leben umsonst ist und daß man für jeden Dienst, der einem erwiesen wird, zahlen muß.
    Denn während Mrs. Harris unten den Teppich saugte, die Bilder und Nippes abstaubte und die antiken Möbel polierte, wurde in ihrem Inneren all das wieder lebendig, was sie am Abend zuvor gesehen, gehört und worüber sie nachgedacht hatte, und sie bereitete die Rede vor, die sie zwar nicht vorm Parlament, aber vor dem Macher von Parlamentariern, Sir Wilmot Corrison, halten würde. Wenn er auch selber kein Abgeordneter war, so wußte sie doch, daß er in der Politik eine große Rolle spielte.
    Um ihrem gesunden Menschenverstand und ihrer Intelligenz gerecht zu werden, muß man sagen, daß Mrs. Harris sich an diesem Vormittag einfach nur darüber freute, daß sie einen ans Bett gefesselten unfreiwilligen Zuhörer hatte, der ihrem Redestrom nicht entrinnen konnte. Es war eine zu gute Gelegenheit, um sie ungenutzt vorübergehen zu lassen. Denn während Mrs. Harris eine unverbesserliche Plaudertasche war, waren ihre Kunden es meistens nicht, und sie war nicht dumm genug, um ihre Ausflüchte nicht zu durchschauen: «Liebe Mrs. Harris, ich würde ja gern noch bleiben und mit Ihnen plaudern, aber ich habe ein Taxi bestellt.» — «Wie ungeheuer interessant, Mrs. Harris. Ich wünschte, ich könnte noch das Ende Ihrer Geschichte hören, aber ich komme schon zu spät zu meinem Zahnarzt.» — «Ach, wie schade, Mrs. Harris. Hat es da nicht geklingelt?» — «Nächste Woche, wenn ich mehr Zeit habe, müssen wir uns ausführlich unterhalten.»
    Aber dort oben lag, an Händen und Füßen ebenso durch Fesseln der Dankbarkeit wie der Unpäßlichkeit gebunden, jemand, der nicht nur würde zuhören müssen, sondern von dem man sogar erwarten konnte, daß er verstand, wovon sie sprach.
    Und so erschien, gerade als Sir Wilmot mit Genuß sein Frühstück verzehrt und sein Verlangen nach einer Zigarette unterdrückt hatte und nun dabei war, in ein seliges Dösen zu versinken, der «Geldeintreiber» in der Tür des Schlafzimmers in Gestalt einer kleinen alten Dame mit Bäckchen, so verschrumpelt wie Winteräpfel, dunklen Augen und einem schadenfrohen Zug um den Mund. Eine zarte, schmächtige Frau mit einem Tuch um den Kopf, unter dem graue Locken hervorlugten. Nicht ohne Anmut lehnte sie sich an ihre Waffe, den Besen.
    Mrs. Harris begann: «Haben Sie gestern abend ferngesehen?»
    «Was?»
    «Ich meine

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