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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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den alten Pullover, den er trotz meiner Überredungsversuche immer noch nicht ausrangiert hat.
    Â»Morgen«, begrüßte ich ihn. Ich sah ihn an diesem Morgen zum ersten Mal, denn wir schlafen seit mehr als einem Jahr in getrennten Schlafzimmern. Ich lese gern noch im Bett; er will lieber gleich schlafen. Er sagt zwar immer, dass es ihn nicht stört, wenn ich meine Leselampe brennen lasse, aber wenn ich seinen abgewandten, gekrümmten Rücken sehe, bekomme ich immer ein schlechtes Gewissen und verliere die Freude an meinem Buch. Dazu kommt noch, dass er schnarcht. Er behauptet zwar, ich schnarche ebenfalls, aber ich bin überzeugt, dass er das bloß sagt, um mir eins auszuwischen. Wie auch immer – da unser Haus über fünf Schlafzimmer verfügt, wir aber nur noch zu zweit sind, scheint es nur vernünftig, in getrennten Zimmern zu schlafen, so dass jeder tun kann, was er will.
    Â»Morgen«, gähnte Bob mir entgegen und schabte sich mit den Fingern über die – inzwischen silbrigen – Bartstoppeln.
    Â»Du musst heute mit Toast vorliebnehmen«, sagte ich. »Die Milch ist sauer geworden.«
    Bob verzog das Gesicht, ging zum Digitalradio, das auf der Fensterbank steht, und schaltete es an. Ich zuckte zusammen. Ich hasse es, wenn morgens früh gleich das Radio losplärrt, und Bob stellt es in letzter Zeit immer so laut. Ich habe ihm schon geraten, sich mal ein Hörgerät anzuschaffen, aber er will einfach nicht akzeptieren, dass sein Gehör nachlässt.
    Â»Bist du heute im Gericht?«, fragte er über die Melodie von Have A Nice Day hinweg.
    Â»Nein, heute helfe ich im Wohltätigkeitsladen aus.«
    Â»Aha.« Sein Ton war neutral, aber mir war schon klar, was er sich dachte. Der Wohltätigkeitsladen für das Hospiz – wieder eine meiner zahlreichen Verpflichtungen. Als er letztes Jahr in Rente ging, hat er vorgeschlagen, ich solle doch ein paar davon aufgeben, damit wir mehr Zeit miteinander verbringen könnten, aber ich habe nicht die Absicht, das zu tun. Wozu auch? Ich würde wahnsinnig werden, wenn ich den ganzen Tag so verbummeln würde wie er. Ich möchte meine Tage lieber sinnvoll nutzen und etwas Nützliches für andere tun, die meine Hilfe brauchen.
    Bob braucht mich nicht, so viel ist sicher. Ich bezweifle, dass er es überhaupt merken würde, wenn ich nicht mehr da wäre. Wahrscheinlich würde er die sauberen Hemden vermissen, die ich ihm immer bügle und in seinen Schrank hänge, nach Farbe und Stoff geordnet, denn er scheint nicht in der Lage zu sein, den Unterschied zwischen Blau, Grün oder Grau zu erkennen, und kann auch Flanell nicht von Baumwolle unterscheiden. Die Vorräte würden ihm bald ausgehen – nicht bloß die Milch –, denn er hasst Einkaufen, und ein Besuch im Supermarkt kommt für ihn einem Ausflug in die Hölle gleich. Aber er würde zurechtkommen. In vielerlei Hinsicht ist er beinahe erschreckend selbstgenügsam. Wahrscheinlich würde er sich einen Hund zulegen. Das hat er mir im Laufe der Jahre schon ein paarmal vorgeschlagen, aber ich habe es ihm wieder ausgeredet; so ein Tier macht mir einfach zu viel Schmutz und Unordnung. Aber vor allem würde Bob einfach in den Tag hineinleben, genauso, wie er es jetzt auch tut. Er sagt immer, es sei ein Ausgleich für sein anstrengendes Berufsleben, wo er lange genug Verantwortung für alles zu tragen hatte. Ich kann trotzdem nicht verstehen, wie er seine Tage einfach so planlos vertrödeln kann.
    Nein, Bob braucht mich nicht, und auch die Kinder brauchen mich inzwischen nicht mehr. Ich war gern Mutter, mit Leib und Seele. Ich habe beiden Mädchen das Lesen und Schreiben beigebracht, lange bevor sie in die Schule kamen. Ich habe sie zu ihren Ballettstunden und zum Reitunterricht kutschiert; ich war die Vorsitzende der Schulpflegschaft, habe Kostüme für Krippenspiele genäht, Kuchen für den Schulbasar gebacken, am Beckenrand gesessen, während sie schwimmen lernten, und am Spielfeldrand gestanden, wenn sie Korbball und Tennis spielten. Später habe ich sie zu Discos, Übernachtungsfeiern bei Freundinnen und Partys chauffiert und auf Parkplätzen vor Kinos und Bowlinghallen auf sie gewartet. Das Leben war hektisch und wunderbar. Es machte mir nichts aus, dass Bob nie da war, um sich an den Aufgaben zu beteiligen. Ich genoss jede einzelne und war glücklicher und

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