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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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Großmutter, empfindet. »Meine Güte, Grandma, du musst mich doch so gut kennen, dass du weißt, dass ich dir das nicht verübele. Ich bin für dich da, das weißt du doch. Solange du mich brauchst.«
    Â»Ach, Sarah«, sagt Nancy voller Gefühl. »Ich danke Gott, dass es dich gibt.«
    Ellen wirft einen Blick auf den Wecker, der auf dem Nachttisch steht. Halb zwei nachts. Sie muss offenbar doch ein bisschen geschlafen haben, obwohl sie nicht damit gerechnet hat. Wahrscheinlich hat der Bourbon, den Bob ihr gebracht hat, ihr den Rest gegeben; kein Wunder, da sie so wenig gegessen hat und sonst kaum Alkohol trinkt. Der Bourbon und die Erschöpfung, die auf heftiges Weinen folgt. Aber jetzt ist sie hellwach; ihre Gedanken kreisen unaufhörlich und lassen ihr keine Ruhe. Und Bob schnarcht. Nicht die fürchterlichen grunzenden, schnaufenden Töne, die er manchmal von sich gibt, sondern ein gleichmäßiges, leises Sägen, bei dem man schon auf den nächsten Ton wartet. Es erinnert sie wieder daran, warum sie zu Hause separate Schlafzimmer haben. Er rührt sich nicht, als Ellen die Decke beiseiteschiebt und aus dem Bett schlüpft. Wie kann er nach allem, was passiert ist, bloß so tief und fest schlafen? Aber eigentlich gibt es ja kaum etwas, was Bob vom Schlafen abhält.
    Ellen macht die Schlafzimmertür auf und lauscht. Kein Geräusch ist im Haus zu hören, und soweit sie sehen kann, sind alle Lichter aus. Sie zieht die Tür hinter sich zu und schleicht barfuß die Treppe hinunter. Der Esstisch ist abgeräumt worden; die Überreste der Mahlzeit sind zwar in die Küche getragen worden, doch dort stapeln sich die schmutzigen Teller auf der Ablage, und auch die fettigen Pfannen stehen immer noch auf dem Herd. Ellen überlegt einen Moment, ob sie abwaschen soll, lässt es dann aber. Stattdessen schließt sie die Küchentür auf und tritt in den Garten hinaus.
    Das Gewitter ist inzwischen vorbeigezogen. Die Nacht ist ruhig und warm, es riecht angenehm frisch nach dem Regen. Dieser Geruch ruft undeutliche Erinnerungen an glücklichere Zeiten bei ihr hervor, keine klaren Bilder, eher eine Art allgemeine Stimmung. Ellen würde am liebsten wieder losweinen. Sie überquert die Terrasse, geht am Pool vorbei in Richtung Rasen. Gehen, einfach nur gehen. Die Arme hat sie schützend um sich geschlungen, aber nicht etwa, weil ihr kalt wäre, obwohl sie nur ihr Nachthemd trägt. Das regennasse Gras fühlt sich unter ihren nackten Füßen kühl an. Als sie den Gartenzaun erreicht hat, fängt sie an zu weinen. Nicht der fast hysterische Heulkrampf, der ihrem Wutausbruch gefolgt ist, sondern ein dumpfer Schmerz in ihrer Kehle, ein zitterndes Kinn und Tränen, die sich in ihren Augen sammeln.
    Der erste Schock ist jetzt vorüber und hat eine unsägliche Traurigkeit hinterlassen. Vielleicht wird sie der Schock irgendwann wieder packen, doch im Augenblick ist sie wie betäubt, erschöpft von der Wut und den Tränen. Sie fühlt sich eher beraubt als vertrieben; alles, was sie immer für selbstverständlich gehalten hat, ist ihr entrissen worden. Das Fundament, auf dem ihr ganzes Leben ruhte. Joe war nicht ihr Vater. Aber er war es doch, er war es! Sie erinnert sich noch an seine sanfte, freundliche Art, seine Geduld, seinen Stolz. Es war Joe, der sie auf den Schultern getragen hatte, wenn ihre kleinen Beine müde wurden; Joe, der ihr die Tränen mit seinem großen Taschentuch getrocknet hat, das immer nach Tabak und Flugbenzin roch. Joe, der vor Stolz strahlte, als sie oben auf der Bühne ihr Schulabschlusszeugnis entgegennahm. Er war nicht ihr Vater, aber er hatte alles getan, was ein Vater tut. Er hatte gewusst, dass sie nicht seine Tochter war, doch irgendwann hatte das keine Rolle mehr für ihn gespielt. Vielleicht war es am Ende auch egal. Was zählte, war, dass er für sie da gewesen war, wann immer sie ihn brauchte. Das enge Band zwischen ihnen ließ sich nicht leugnen, das hatte es wirklich gegeben. Sie konnte sich eigentlich glücklich schätzen. Wenn er sie abgelehnt hätte, hätte es ganz anders für sie ausgehen können. Sie wäre bei so vielem zu kurz gekommen.
    Es hatte wirklich etwas von tragischer Ironie. Die ganze Zeit über hatte sie geglaubt, John sei das Kuckucksei, und dabei war sie selbst es gewesen.
    Â»Ellen?«
    Sie hat niemanden kommen hören. Sie dreht sich um und sieht

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