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Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
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hatte das Leben geliebt. Die Vorstellung, dass ihr hübscher Mund sabbernd herabhängen und ihre ausdrucksvollen Augen leer und verständnislos in die Welt schauen könnten, war unerträglich, viel schlimmer als der Tod. Doch irgendwie hatte er sich zusammengerissen und den Arzt gefragt: »Was halten Sie denn für die wahrscheinlichste Entwicklung?«
    Der Doktor, eine leidenschaftslose Autorität in Weiß, hatte sich nicht zu einer klaren Aussage zwingen lassen.
    Â»Man kann es wirklich nicht voraussagen. Möglicherweise bleibt sie im Koma – das gibt es durchaus manchmal. Sie könnte, wie ich schon sagte, auch teilweise genesen. Sie könnte uns aber auch verlassen. Wir wissen es einfach nicht. In der Zwischenzeit sollten Sie einige Vorkehrungen treffen …«
    Mac hatte die Hände tief in den Taschen seiner Fliegerjacke vergraben und umklammerte die Schlüssel seines Douglas-Motorrads so fest, dass ihm das Metall in die Finger schnitt.
    Â»Ich will, dass sie die allerbeste Pflege erhält. Geld ist kein Problem.«
    Das stimmte nicht ganz. Auf sich allein gestellt, verdiente Mac nicht mehr als jeder andere RAF -Offizier auch. Aber er konnte finanzielle Unterstützung bekommen. Das hieß zwar wahrscheinlich, dass er seinen Dienst bei der RAF aufgeben müsste, sobald der Krieg zu Ende war, um den Familienbetrieb zu übernehmen, wenn Judy dann immer noch lebte und Pflege brauchte. Schon immer hatte sein Vater gewollt, dass er in das Familienunternehmen einstieg, und das war auch einer der Gründe gewesen, warum er sich überhaupt mit ihm überworfen hatte. Doch Mac würde es tun. Er würde in Sack und Asche gehen und Straßen kehren, wenn er Judy damit nur helfen könnte. Und bis dahin musste er Vorsorge für den Fall treffen, dass ihm etwas zustieß. Auf die Überlebenschancen eines Spitfirepiloten würde keiner sein Geld verwetten. Mac dachte, welch tragische Ironie darin lag, dass er, der jeden Tag aufs Neue riskierte, vom Himmel geschossen zu werden, unversehrt blieb, während seine Frau, die eigentlich im relativ friedlichen, ländlichen Gloucestershire einigermaßen sicher hätte sein sollen, nun zwischen Leben und Tod schwebte.
    Aber auch ihn hätte es kurz nach ihrem Unfall beinahe erwischt, als seine Spitfire abgeschossen wurde. Nun, genau genommen nicht richtig abgeschossen. Wenn man das Flugzeug wirklich abgeschossen hätte, wäre er zweifellos tot oder stark verbrannt wie so mancher andere aus seiner Staffel. Charlie, Tigger und Nobbie, die alle verschollen waren. Dennis, den er im Krankenhaus besucht hatte, unkenntlich unter der weißen Gaze, die sein Gesicht verdeckte. Dennis hing in Bändern, knapp über dem Bett, die Arme ragten vor ihm auf, steif von der festgetrockneten Tanninsäure, und seine Hände erinnerten an Klauen. Es hieß, dass er wahrscheinlich blind sei. Feuer war für Mac der Albtraum schlechthin, und Dennis’ Schicksal hätte ebenso gut ihn ereilen können.
    Sie hatten die Heinkel schon gemeinsam erwischt, er und Bill Ward, und sahen, wie sie spiralförmig abwärts in Richtung Meer trudelte, bevor sie in einem Feuerball explodierte, der den Nebel glühen ließ. Sie hielten Ausschau nach weiteren Bombern, als plötzlich eine Messerschmitt aus dem Nichts auftauchte. Mac sah, wie sie Bill verfolgte, und funkte ihm: »Vorsicht, du wirst verfolgt!« Bill bog seitlich ab, die Messerschmitt folgte ihm. Mac presste die Zähne aufeinander. Bill war noch relativ unerfahren, er hatte keine Chance zu entkommen. Macs Instinkt übernahm die Führung. Er ging auf die Messerschmitt los und versuchte sie wegzulocken, er schoss eine Ladung nach der anderen ab. Und er erwischte sie. Aber erst, nachdem die Messerschmitt auch ihn erwischt hatte. Mehrere Geschosse durchbohrten den Rumpf seiner Maschine und die Backbordtragfläche, und einen Moment lang war er wie betäubt. Die Messerschmitt war ins Trudeln geraten, doch Bill war immer noch da, ein paar Hundert Fuß entfernt, offensichtlich unversehrt. »Ja!«, stieß Mac zwischen den Zähnen hervor, aber sein Hochgefühl war nur von kurzer Dauer. Die Spit flog unkontrolliert, und er merkte, wie ihm Blut warm über das Gesicht lief. Eine Sekunde lang erwog Mac auszusteigen, entschied sich dann aber dagegen. Er hatte keine Lust, im Ärmelkanal abzusaufen. Und seine Sturheit drängte ihn, das Flugzeug wieder

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