Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
Lachen und ihre kurzen, meist verwegen abstehenden Haare hatte er nun ganz dicht vor sich.
Viola! Er sprach ihren Namen leise vor sich hin. Der Klang brachte ihm ihr Gesicht noch näher. Er musste an ihre langen Gespräche denken, die sie mal in seiner Wohnung und dann in ihrer geführt hatten, meist bei Rotwein, lieber noch bei einem Bier. Oder zwei. Ihm kam die Musik von Livin’ Blues in den Sinn, die beide so sehr mochten.
Frank schaute auf die Hauswand. Ein Bild im klassischen Sinn konnte er in den Graffiti nicht erkennen. Die Zeichen waren bunt und von eigenartiger Schönheit. Die ineinander verschlungenen Buchstaben, übergroß auf die Wand gesprayt, hatten etwas Geheimnisvolles, das auf eine verstörende Art mit seinem Leben zu tun hatte. Sie schienen ihm etwas sagen zu wollen, aber Frank konnte nicht sehen, was.
Frank konzentrierte sich wieder auf die Musik. Es war der Telephone Song von Stevie Ray Vaughan. Aber es war die Stimme von B. B. King, die seine Aufmerksamkeit erregte.
Er zögerte noch einen Augenblick und drückte dann auf »Verbinden«.
XXVIII.
Frank lenkte ihren Dienstwagen über die Rheinkniebrücke. Ecki sah aus dem Fenster und deutete auf die Hafenanlagen, aus denen der Fernsehturm aufragte. Für ihn war der Anblick jedes Mal ein Erlebnis. Je nach Uhrzeit, besonders aber wenn man sommers in den frühen Morgenstunden in die Stadt hineinfuhr, hatte diese etwas Sanftes, fast Poetisches. Nur die eine oder andere Taube war schon unterwegs, auf der Suche nach den Resten einer heißen Nacht auf Asphalt und Alkohol.
»Was für ein Panorama! Schon als Kind war ich jedes Mal begeistert, wenn wir über den Rhein gefahren sind.«
»Hm.« Frank trommelte den Rhythmus des Popa-Chubby-Stücks auf dem Lenkrad mit und schenkte der Stadtansicht keinen Blick.
»Du bist schon die ganze Fahrt über so schweigsam. Was ist passiert?«
»Nix.«
»Wie nix?«
»Nix eben.«
»Hätte ich nicht gedacht.«
»Deine Ironie kannst du dir sparen.«
»Wenn du mir sagst, was los ist.«
Frank sagte nichts, sondern folgte den Anweisungen der Navi-Stimme.
»Toll, dass du dir auch von Frauen was sagen lässt.«
»Haha, der Witz hat so was von einen Bart.« Frank hielt an einer Ampel, nicht weit vom Innenministerium.
»Und du bist nicht zu ertragen.«
»Kannst ja zu Fuß gehen.«
»Ärger mit Lisa?« Ecki versuchte es auf die sanfte Tour und ließ sich von Franks Laune nicht provozieren.
»Nein.«
»Klingt aber nicht so.«
»Vergiss deine Verhörmethoden, Eckers.«
»Ich will dich gar nicht verhören, nur verstehen. Der Tag ist einfach zu schön, um sich die Laune verderben zu lassen, von was weiß ich. Kann ich irgendwie helfen?«
»Ja. Halt einfach die Klappe.«
»Deine Entscheidung, Borsch.« Ecki schmollte ein bisschen. Es konnte nur um Lisa gehen – oder um Viola. Und in beiden Fällen hatte er sich schon oft genug den Mund verbrannt.
»Okay. Wie weit ist es noch bis zu Leuchtenbergs Büro?«
»Hm.«
»Heißt das, wir sind gleich da?«
Frank antwortete nicht.
Ecki sah aus dem Seitenfenster.
Wenig später hielt Frank vor einem fliederfarbenen fünfgeschossigen Jugendstilbau, der perfekt in die Reihe großzügiger Stadthäuser passte.
»Man muss auch mal Glück haben«, brummte Frank, bog in die freie Parkbucht, die sich ihm überraschend bot, und stieg aus.
Im schmalen Vorgarten der Villa säumten Rhododendren den Weg zum Eingangsportal, das üppige Blumenmuster zierten. Der Stuck war weiß abgesetzt.
»Nobel, nobel.« Ecki nickte anerkennend und suchte auf dem polierten Messingschild nach Leuchtenbergs Klingel. Unter seinem Namen stand der Zusatz Investment und Beratung .
Frank drückte die Klingel. »Leuchtenberg muss eine Menge potenter Kunden haben. Bin gespannt, was er unter Investment und Beratung versteht.« Sein mürrischer Gesichtsausdruck war verschwunden.
»Aus den Unterlagen, die Schrievers gefunden hat, geht wenig hervor. Scheint verschwiegen zu sein, der Mann.«
»Rechtsanwalt eben.«
Der Türöffner summte, und die beiden Ermittler fanden sich in einem Flur wieder, der mehr Quadratmeter hatte als in manchen Mietwohnungen Küche und Wohnzimmer zusammen.
»Meine Herren?«
An der Tür zur Kanzlei im Erdgeschoss der Stadtvilla erwartete sie ein Mann von vielleicht Anfang bis Mitte 50. Vollschlank und kein bisschen sportlich. Gleichwohl war sein volles Gesicht leicht gebräunt; Sonnenbank, wie Ecki vermutete. Das Haar trug Leuchtenberg eine Spur zu lang, es lag in grauweißen
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